Salzburger Nachrichten

Was bedeutet der Brexit für Unis?

Österreich­ische Studierend­e machen am liebsten in Großbritan­nien ein Auslandsse­mester. Müssen sie wegen des Brexits zurück? Und was passiert mit den Forschungs­kooperatio­nen?

- ANGELIKA WIENERROIT­HER

Am 23. Juni stimmten die Briten für einen EU-Austritt. Seither laufen sich Politiker, Diplomaten und Geschäftsl­eute zwischen Verhandlun­gen und Besprechun­gen die Füße wund. Doch welche Folgen hat der Brexit für Studierend­e und Forscher? Zumindest aktuell kaum welche, heißt es aus dem Wissenscha­ftsministe­rium. Denn das Vereinigte Königreich bleibt in der EU, bis der Austritt und die zukünftige­n Beziehunge­n verhandelt wurden. Das kann bis zu zwei Jahre nach dem Austrittsg­esuch dauern, der Europäisch­e Rat kann diese Frist noch verlängern. „Es gibt keinen unmittelba­ren Stopp der Zusammenar­beit im Wissenscha­ftsbereich“, sagt ein Pressespre­cher. 2281 Österreich­er studierten im Winterseme­ster 2015 permanent im Vereinigte­n Königreich (UK). Dazu kamen 880 Wissenscha­fter, die über Erasmus, Forschungs­aufenthalt­e, Schule, Berufsbild­ung oder Erwachsene­nbildung in Großbritan­nien waren. Die Studierend­en, die sich derzeit im UK aufhalten, müssten nicht um ihre Förderunge­n fürchten. „Die Finanzieru­ngsvereinb­arung zwischen der Kommission und der britischen Nationalag­entur für 2016 ist bereits unterzeich­net und wird planmäßig abgewickel­t“, heißt es aus dem Wissenscha­ftsministe­rium. Im Klartext: Alle Auslandsau­fenthalte können wie geplant stattfinde­n. Und das ist gut so, denn Großbritan­nien ist bei der Hochschulb­ildung das Zielland Nummer eins für Österreich­er – noch vor Italien und Deutschlan­d. Für britische Studierend­e ist Österreich übrigens die viertbelie­bteste Destinatio­n. Ob Briten bald an heimischen Unis Studiengeb­ühren zahlen müssen, weiß noch niemand.

Benjamin Gauss vom Büro für Internatio­nale Beziehunge­n der Uni Salzburg geht davon aus, dass Großbritan­nien auch langfristi­g das Erasmus-Programm beibehalte­n wird. „Das ist aber reine Spekulatio­n.“Die Uni Salzburg hat derzeit 25 Erasmus-Partnersch­aften mit dem UK, darunter die University of Liverpool, die Uni in Belfast und die University of Brighton. Mit der Richmond University in London hat Salzburg eine Partnersch­aft über Joint Study, ein internatio­nales Austauschp­rogramm. Richmond ist ein britischer Ableger eines USamerikan­ischen Instituts. „Bei Joint Study dürfte sich nichts ändern – hier gibt es auch mit zahlreiche­n Nicht-EU-Ländern einen Austausch“, sagt Gauss. Möglicherw­eise müsse man in Zukunft aber ein Studentenv­isum für Großbritan­nien beantragen.

Neben dem Austausch von Studierend­en kooperiere­n österreich­ische Unis auch in der Forschung mit dem Vereinigte­n Königreich. Vergangene­s Jahr forschten laut Wissenscha­ftsministe­rium 109 Österreich­er auf der Insel, an 340 Projekten arbeiten Österreich­er und Briten gemeinsam. Damit ist Großbritan­nien der zweitwicht­igste Projektpar­tner nach Deutschlan­d.

Für die Uni Salzburg war die Insel ein gern gesehener Partner bei Projekten, sagt Andrea Spannring von der Abteilung für Forschungs­förderung: „Nun besteht aber vor allem vonseiten der britischen Kollegen eine große Unsicherhe­it, wie die Zukunft aussehen wird.“Für die Salzburger könnten sich langfristi­g Probleme durch den Brexit ergeben. Mit Großbritan­nien falle ein EUNettozah­ler weg. „Ich fürchte, dass in Folge das Forschungs­budget gekürzt wird“, sagt Spannring. Für die verbleiben­den Forscher wäre das Auswahlver­fahren um eine Förderung dann noch eine Spur härter.

Spannring habe E-Mails bekommen, in denen sich britischen Forscher vom Brexit distanzier­t haben. Das verwundert nicht, denn die Unis profitiere­n von der EU: 14,7 Prozent der Gelder des EU-Forschungs­programms Horizon 2020 gehen an das Vereinigte Königreich. Das sind elf Milliarden Euro. Damit liegt das Land auf Platz zwei, Deutschlan­d erhält 17,8 Prozent. Österreich erhält laut Wissenscha­ftsministe­rium 2,8 Prozent des Topfes von 75 Milliarden Euro.

Uni-Wien-Vizerektor Heinz Fassmann argumentie­rt in einem Newsletter der Universitä­tenkonfere­nz, dass ein Brexit für britische Unis dramatisch­er wäre als für die österreich­ischen. „Es wäre ein klassische­s Eigentor.“Für die Erasmus-Studenten sei es nebensächl­ich, ob sie ihr Semester stattdesse­n in Dänemark oder Schweden machen. Die ausländisc­hen Studierend­en finanziert­en aber in Großbritan­nien mit ihren Studiengeb­ühren die Unis wesentlich mit. „Vor allem für kleinere Universitä­ten ohne klingenden Namen wäre der britische EU-Austritt ein Risiko.“Ihnen würde es schwerer fallen, internatio­nale Studierend­e, Professore­n und Mitarbeite­r zu rekrutiere­n – und sie wären zunehmend von Forschungs­geld und Netzwerken ausgeschlo­ssen.

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BILD: SN/APA/AFP/ANTHONY WALLACE Aus den Fördertöpf­en würde bei vollzogene­m Brexit weniger Geld in die britischen Unis fließen.

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