4500 hätten überleben können
Vor 40 Jahren wurde das Anlegen des Gurts zur Pflicht für Autoinsassen. 2015 waren laut KFV in Österreich noch immer sieben Prozent unangeschnallt unterwegs. DER MANN, DER TAUSENDE LEBEN RETTETE: NILS BOHLIN
Straffällig wurden Österreichs Autofahrer ab dem 15. Juli 1976 noch nicht, wenn sie trotz der damals eingeführten Gurtanlegepflicht diese ignorierten. Der damals heftig diskutierten, umstrittenen Maßnahme und dem Sicherheitsgurt verdanken bis heute Tausende Menschen ihr Leben.
Doch wie eine aktuelle Analyse des KFV (Kuratorium für Verkehrssicherheit) zeigt, sinkt die Gurtanlegequote in Österreich wieder leicht (2014: 95 Prozent; 2015: 93 Prozent). Die Überlebenschance ist bei einem Unfall mit Gurt beinahe elf Mal höher als ohne Gurt.
Trotz heftiger Widerstände von Interessengruppen, die das Anschnallen als „nicht zumutbare Einschränkung der persönlichen Freiheit“oder sogar als Verletzungsrisiko empfanden, wurde am 15. Juli 1976 die Gurtanlegepflicht in Österreich eingeführt. Acht Jahre später wurde 1984 die Strafdrohung hinzugefügt.
„Zweifelsfrei ist die Einführung der Gurtanlegepflicht für Pkw-Insassen eine der wichtigsten Verkehrssicherheitsmaßnahmen in Österreich gewesen. Tausende Menschen verdanken dem Gurt ihr Leben. 40 Jahre nach Einführung der Gurtpflicht ist es aber immer noch nicht Realität, dass sich tatsächlich alle Insassen angurten. Seit Jahren fordert das KFV, der Exekutive den Vollzug von Gurtdelikten zu erleichtern. Derzeit muss ein Fahrer angehalten werden, um gestraft zu werden“, erklärt Othmar Thann, der Direktor des KFV.
Analysen des Kuratoriums zeigen, dass bei konsequenter Gurtverwendung Vom SchIeudersitz zum Dreipunktgurt Eigentlich war er Flugzeugingenieur: Nils Ivar Bohlin, der morgen, Sonntag, seinen 96. Geburtstag gefeiert hätte. Der Schwede aus Härnösand (1920–2002) gilt als Erfinder des Dreipunkt-Sicherheitsgurts. Dabei war seine erste Tätigkeit bei Saab eine ganz andere: Er entwickelte Schleudersitze für Überschallflugzeuge. 1958 wurde er von Volvo angeworben. Die Schweden standen vor dem Eintritt in den US-Automarkt und wollten bewusst auf das Thema Sicherheit setzen. Bohlin wurde bald erster Ingenieur für Sicherheit. Bohlin erkannte zum einen die Kräfte, die bei Unfällen auf die Körper der Fahrzeuginsassen wirken, und fand zum anderen die bis dahin vorhandenen Gurte für unbequem und ungenügend. Nach einem Jahr Forschung präsentierte Bohlin den Gurt, der von der B-Säule über Schulter und Becken zur Schnalle in der Mitte des Autos führte und zurück zur B-Säule. Bohlin ließ sich den Dreipunktgurt patentieren. 1959 war der Volvo PV 544 („Buckelvolvo“) das erste Serienmodell mit Bohlins bahnbrechender Erfindung. Bohlin erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter 1995 die Goldmedaille der Schwedischen Akademie für Ingenieurswissenschaften. 1999 wurde er in die Automotive Hall of Fame (Dearborn/Michigan), 2006 in die European Automotive Hall of Fame aufgenommen. Der Techniker verstarb am 21. September 2002 nach einem Schlaganfall und folgendem Herzinfarkt. fast 60 Menschenleben pro Jahr gerettet werden könnten. Laut Expertenschätzungen könnten seit der Einführung der Gurtpflicht 1976 über 4500 getötete Menschen noch leben, wäre die Gurtpflicht konsequent eingehalten worden.
Jährlich erhebt das KFV österreichweit unter 65.000 Kfz-Insassen, wie viel Prozent der Lenker, Beifahrer und Mitfahrer auf den Rücksitzen angegurtet sind. 2015 legten 93 Prozent der Lenker einen Gurt an, im Jahr 2014 waren es noch rund 95 Prozent. Unter den Mitfahrern auf den Rücksitzen ist das Gefahrenbewusstsein deutlich geringer: Österreichweit waren im Vorjahr nur 88 Prozent angeschnallt. „Nicht angeschnallte Mitfahrer gefährden im Falle eines Unfalls nicht nur sich selbst, sondern auch die Passagiere in der Vorderreihe, wenn sie bei einem Unfall oder einer ruckartigen Bremsung nach vorn geschleudert werden. Die Gurtpflicht gilt gesetzlich in hinteren Sitzreihen genauso wie vorn. Vor allem auch für Kinder und gerade auch auf kurzen Strecken“, erklärt Thann. Bei Kindern bis zwölf Jahre beträgt die Gurtanlegequote 97 Prozent gefolgt von 95 Prozent gesicherten Senioren.
Gurtverweigerer setzen sich einem hohen Risiko aus, wie die Analyse des KFV zeigt: Das Risiko, bei einem Unfall mit Personenschaden getötet zu werden, ist ohne Gurt elf Mal höher als mit Gurt. Jeder 19. nicht angegurtete Lenker bzw. Mitfahrer stirbt, während nur jeder 208. angegurtete Insasse bei einem Unfall mit Personenschaden getötet wird.