SPORT
Nur noch ein Rennen liegt vor dem Comeback der MotoGP in Österreich am 14. August. Das puristische Spektakel auf zwei Rädern steht bei vielen Motorsportfans mittlerweile höher im Kurs als die mit Regeln vollgepfropfte Formel 1.
Formel 1 gegen MotoGP: Warum das puristische Spektakel auf zwei Rädern derzeit um einiges populärer ist.
SALZBURG. Die mutigsten Piloten, das beste Material und Vollgas bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Noch vor wenigen Jahren war es nur eine persönliche Geschmacksfrage, ob das Herz eines Fans intensiver für die Formel 1 oder für die MotoGP schlägt. Beide Königsklassen des Motorsports umrankten die Superlative. Mittlerweile haben sich in den Debatten die Gewichte zugunsten der Zweiradakrobaten deutlich verschoben. Gründe dafür gibt es genug.
Publikumszulauf
Die Kommentare in den deutschen Medien sind eindeutig: Dieses Wochenende findet auf dem Sachsenring mit der Motorrad-Weltmeisterschaft „Deutschlands größtes Motorsportevent des Jahres“statt (Start MotoGP 14 Uhr, live auf Servus TV). Obwohl die Formel 1 nach einjähriger Pause auf den Hockenheimring nahe Heidelberg zurückkehrt (31. Juli). Die nächste Station für die MotoGP nach Deutschland ist bereits Österreich. Für den Grand Prix am 14. August in Spielberg gibt es nur noch Restkarten. Und auf dem Red Bull Ring hadert man noch mit den enttäuschenden Zuschauerzahlen des Formel-1Gastspiels Anfang dieses Monats. Laut Veranstalter kamen an den drei Tagen 85.000 Besucher. Im Vorjahr waren es noch 120.000, vor zwei Jahren 220.000. Für die MotoGP wurden Zusatztribünen errichtet. Ein neuer absoluter Besucherrekord für die 2011 eröffnete Anlage ist wahrscheinlich.
Preisgestaltung
Motorsport kostet Geld. Für Aktive wie für Zuschauer. Das Plus der Motorrad-WM: Die Preise sind überschaubar geblieben. Für die Formel 1 kosten in Spielberg Plätze auf der überdachten Start-Ziel-Tribüne im Schnitt 400 Euro, für die MotoGP maximal 155 Euro. Das Gefälle setzt sich bis in die untersten Kategorien fort. Sogar ein Schwergewicht aus der Formel-1-Szene zeigte heuer Sympathien für das Motorradlager. „Spielberg hat ein kleines Einzugsgebiet mit vielen Veranstaltungen. Würde ich in der Region leben, ich ginge zur MotoGP“, sagte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff. Der deutsche Motorsport-Fachjournalist Michael Schmidt drückte in seinem Blog auf auto-motor-undsport.de die Stimmungslage der in der Wolle gefärbten Formel-1-Fans so aus: „Warum soll ich 400 für ein Ticket zahlen, damit die Teams mit 800 Leuten Personal eine Technik darstellen, die ich nicht verstehe?
SN-THEMA Motorsport
Und wir wissen alle ganz genau, dass der Sport genauso gut wäre, wenn die Teams nur die Hälfte ausgeben und die Fans auch nur die Hälfte dafür bezahlen.“
Technik
Michael Schmidt schnitt mit der Technik das wohl gravierendste Plus der Zweiradfraktion an. Anders als in der Formel 1 kann sich hier der Fan noch mit dem Sportgerät identifizieren. Auch in der Yamaha von Weltmeister Jorge Lorenzo steckt mittlerweile viel Elektronik. Aber der Pilot benötigt kein kompliziertes Zusammenspiel von einem Verbrennungsmotor plus zwei Elektromotoren plus die in einem vorgeschriebenen Augenblick erlaubte Verstellung eines aerody- namischen Hilfsmittels, um einen Überholvorgang flott und präzise hinter sich zu bringen. Beim Reifenpoker hat die MotoGP allerdings mit der Formel 1 gleichgezogen. Mit Michelin gibt es auch nur einen Hersteller (Formel 1 Pirelli) und die Fahrer müssen zwischen härteren und weicheren Mischungen wählen. Bei Regenrennen sind die Vorgaben äußerst diffizil.
Spannung
Mit dem Honda-Fahrer Marc Márquez aus Spanien liegt der Champion der Saison 2014 an der Spitze der aktuellen WM-Wertung. Der Spanier mit der Startnummer 93 bezeichnete jahrelang Valentino Rossi als sein Vorbild. Sein Verhältnis zu Italiens Motorsportidol mit der legendären Nummer 46 ist mittlerweile etwas abgekühlt. In den Duellen der beiden knistert es. Der lachende Dritte ist oft Márquez’ Landsmann und Rossis YamahaMarkenkollege Jorge Lorenzo, derzeit als Titelverteidiger WM-Zweiter vor „Dottore“Rossi. Daniel Pedrosa galt lange als kommender Superstar, aber der spanische Honda-Werksfahrer wartet noch auf seinen ersten Titel in der MotoGP. Pedrosa mischt oft in den Rad-anRad-Kämpfen um die Führung mit Márquez, Rossi und Lorenzo mit. Mit den häufigen Führungswechseln auch im 300-km/h-Bereich ohne abrufbare Zusatzleistung kann die Formel 1 nicht mithalten. Die TV-Bilder elektrisieren. Auch sind in der MotoGP eintönige Runden mit gedrosselter Leistung zum Zwecke des Spritsparens fremd. Treibstoff sparen und Limits einhalten müssen die Fans in ihrem Alltag. Wird auch auf der Rennstrecke die Illusion von Freiheit und Abenteuer vorenthalten, sinkt das Interesse.
Transparenz
In der MotoGP wechseln die Rahmenbedingungen weniger häufig. Die Fans müssen sich nicht praktisch in jeder Saison mit neuen Bestimmungen anfreunden. Die heurige Vereinheitlichung der Motorelektronik hatte keine Auswirkungen auf die Rennverläufe. Strittige Sachlagen und Proteste werden nach den Rennen im Regelfall zügig behandelt. Die Fans sind beim Abgang von der Strecke oder nach dem Ende der TV-Übertragung informiert – in der Formel 1 ist das nicht immer der Fall.