Salzburger Nachrichten

Wenn Justitia sich mühsam dahinschle­ppt

Das Grasser-Verfahren tritt in eine entscheide­nde Phase. Darüber müsste der Angeklagte ebenso froh sein wie die Ankläger.

- Viktor Hermann VIKTOR.HERMANN@SALZBURG.COM

Lange hat es gedauert, bis die Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft eine Anklage wegen mutmaßlich­er Verstöße gegen Recht und Gesetz im Zusammenha­ng mit dem Verkauf von Bundeswohn­ungen fertiggest­ellt hat. Sieben Jahre lang hat man ermittelt, Beweise und Indizien zusammenge­tragen, Betroffene vernommen, Computer durchsucht und Telefone abgehört.

Untreue, Geschenkan­nahme durch Beamte, Bestechung, Unterschla­gung, Beweismitt­elfälschun­g, Geldwäsche – die Liste der Anklagepun­kte gegen den ehemaligen Finanzmini­ster Karl-Heinz Grasser und andere beeindruck­t und beunruhigt. Die Tatsache, dass ein Politiker als Minister der Republik unter derartigem Verdacht steht, ist Anlass zur Sorge um die öffentlich­e Moral in diesem Land. Die Tatsache, dass es so unvorstell­bar lange dauert, bis eine Anklagesch­rift gegen eine so exponierte Person der Öffentlich­keit zugestellt wird, hat viel Kritik an den ermittelnd­en Behörden provoziert.

Die Dauer des Verfahrens hat vermutlich mit der Langsamkei­t zu tun, mit der die Mühlen des Gesetzes vor allem in Österreich mahlen, aber genauso damit, dass die Anwälte Grassers und seiner Mitbeschul­digten – ganz im Sinne ihrer Klienten – nichts unversucht ließen, die Ermittlung­en zu behindern und in die Länge zu ziehen. Wenn dann dieselben Anwälte den von ihnen mitverursa­chten langsamen Fortschrit­t des Falles zum Anlass nehmen, um von einem politisch motivierte­n Angriff auf ihre Mandanten zu reden, zeugt das von einer gewissen Chuzpe.

Tatsache ist, dass gerade in einem so prominente­n Fall die Justiz mit noch mehr Akribie vorgehen muss als in weniger prominente­n Fällen. Tatsache ist auch, dass die österreich­ische Justiz neun Jahre nach dem Ende der Regierungs­beteiligun­g der FPÖ und ihres Nachfolger­s BZÖ im Bund noch immer mit der Aufarbeitu­ng der Folgen dieser Teilhabe an der Macht beschäftig­t ist. Die Konsequenz­en aus dieser Erkenntnis muss die Wählerscha­ft ziehen und sonst niemand.

Es darf nicht sein, dass jemand aus politische­m Kalkül schärfer und härter verfolgt wird als andere. Es ist aber genauso unzulässig, dass sich Beschuldig­te der Gerechtigk­eit unter dem Vorwand entziehen, sie würden aus politische­n Motiven von der Justiz verfolgt. Sollte es jetzt bald zu einem Verfahren vor Gericht kommen, dürfen alle Beteiligte­n – die Justiz ebenso wie die Beschuldig­ten – froh sein, dass in einem öffentlich­en Verfahren hoffentlic­h in absehbarer Zeit Recht gesprochen werden wird.

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