Deponieren, wo die Grenze ist
Ein Tag der „Aussprachen“: Was dem türkischen Botschafter im Außenamt mitgeteilt wurde und was der Kanzler mit Vertretern der Islamischen Glaubensgemeinschaft besprach.
WIEN. Sowohl im Kanzler- als auch im Außenamt gingen Donnerstagnachmittag heikle Treffen über die Bühne: Kanzler Christian Kern (SPÖ) empfing Vertreter der Islamischen Glaubensgemeinschaft zu einer „Aussprache“, kurz darauf trat Hasan Göğüş, türkischer Botschafter in Österreich, zu einer „Aussprache“im Außenamt an. Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) hatte den Botschafter ins Ministerium zitieren lassen – weil man Klarheit haben wolle, „in welche Richtung sich die Türkei entwickelt“, aber auch um dagegen zu protestieren, dass Pro-Erdoğan-Demonstranten in Österreich offenbar direkt aus Ankara gesteuert worden seien.
Göğüş hatte sich vor dem Treffen in einem Brief an die Medien bitter über die „voreingenommene und unfaire“österreichische Kritik an der Türkei beschwert. „Ein solches Verhalten könnte auch Unterstützung für die Putschisten bedeuten“, hatte der Diplomat gemeint.
Unverständlich ist für ihn auch der große politische Ärger über die von der Erdoğan-nahen Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) organisierten Demonstrationen. Göğüş: „Wir hätten erwartet, dass nicht nur türkischstämmige Bürger, sondern auch unsere österreichischen Freunde sich mit Fahnen in der Hand den Protesten überall auf der Welt angeschlossen hätten.“Die Demos, für die sich Erdoğan-Anhänger in türkische Fahnen gehüllt hatten und „Allah akbar“-Rufe (Allah ist groß) erschallen ließen, bezeichnete der türkische Botschafter als „lobenswerte Handlungen“. Zur Demolierung eines kurdischen Lokals in Wien äußerte er sich nicht.
Schon Anfang der Woche hatte der türkische Botschafter in einem „Kurier“-Interview hellhörig gemacht. Zu den nach dem gescheiterten Putsch sofort einsetzenden Säuberungsaktionen in der Türkei erklärte er, dass diese schon länger vorbereitet gewesen seien: „Die Namen waren bekannt, auch im Militär.“Und weiter: „Deswegen gab es ja den Putsch auch, weil sie wussten, dass gegen sie vorgegangen wird.“
Der „Austausch“am Donnerstag im Außenamt dauerte zwei Stunden, mit Göğüş sprachen der Leiter des Völkerrechtsbüros und der Leiter der Sektion Europa. Ein Telefongespräch zwischen Kurz, der derzeit in den USA ist, und Göğüş sollte folgen. Der Sprecher des Außenministers teilte nach dem Treffen mit, Österreich habe u.a. deponiert, dass die Einführung der Todesstrafe in der EU nicht gehe. Hauptpunkt seien aber die Demonstrationen gewesen. Man habe den Botschafter „darauf hingewiesen“, dass eine Einflussnahme aus der Türkei nicht akzeptiert werde: „Uns war das Signal wichtig, dass wir einmal deponieren, wo die Grenze ist.“
Das war auch Anliegen von Kanzler Kern bei seinem Zusammentreffen mit Vertretern der Islamischen Glaubensgemeinschaft und ihrer türkischen Trägervereine wie Atib und der Union Islamischer Kulturzentren. Zu den Ausschreitungen bei den Pro-Erdoğan-Kundgebungen in Wien sagte Kern: „Wir müssen erklären, dass solche Phänomene den Interessen der türkischen Mitbürger massiv schaden.“Den Islam-Vertretern dürfte der Ernst der Lage bewusst sein – und dass sie intern einiges zu tun haben. Vereinbart wurde, dass es eine gemeinsame Erklärung geben werde, „die von der Glaubensgemeinschaft verbreitet wird“, sagte Kern. Wichtig sei, dass „Moslems von Moslems adressiert werden“.