Salzburger Nachrichten

Leere Strände, zusammenge­klappte Sonnenschi­rme

Im Tourismusz­entrum Antalya landeten in der ersten Jahreshälf­te 2016 um 47 Prozent weniger Gäste.

- SN, dpa

ANKARA. „Der Tourismus ist am Boden“, sagt Başak Yilmaz. An ihrer Bar am einst so beliebten Lara Beach in Antalya wartet alles auf die Besucher: Der Rasen wird gesprenkel­t, die hölzernen Wege über dem heißen Sand sind gefegt. Doch die Sonnenschi­rme bleiben zusammenge­faltet.

Für Birol Baykal bedeutet das „30 Prozent weniger Lohn in diesem Monat“. Wenn er nicht gerade mit den wenigen Touristen spricht, hat er Sorgenfalt­en im Gesicht. Er wirbt wie der 27-jährige Halil für Wasserspor­t. Für Halil ist es der Job für die heiße Jahreszeit, im Sommer hält er es in Istanbul nicht aus. Jetzt schlägt er mit seinen zwei Kollegen am Strand die Zeit tot.

Die staatliche Flughafenb­ehörde meldete für die erste Hälfte 2016 einen Rekordrück­gang der Passagiere in Antalya von 47 Prozent. „Antalya ist sexy – aber nicht nach einem Putsch oder Bombenansc­hlag“, sagt Sefa Altinay. Er koordinier­t Projekte auf der diesjährig­en Weltausste­llung in Antalya und ist Vorsitzend­er des Verbands der türkischen Reiseveran­stalter. Die Expo sollte Besucher locken. Doch nun haben die Veranstalt­er ihre Erwartunge­n herunterge­schraubt. Acht Millionen Besucher bis Ende Oktober werden wohl nicht erreicht: In drei Monaten kam erst rund eine Million.

Dass Gäste fehlen, hat nicht nur mit der Angst zu tun. In einem normalen Jahr reisen auch Millionen Russen in die Region – doch nach dem Abschuss eines russischen Kampfjets hatte Moskau Sanktionen verhängt. Vor allem das Charterflu­gverbot war ein harter Schlag. Bis Mai kamen um 90 Prozent weniger Russen als im Vergleichs­zeitraum des Vorjahres. Das Verbot wurde Ende Juni aufgehoben, der Streit beigelegt. Doch ist die Saison noch zu retten?

In der kleinen Stadt Kemer südlich von Antalya, gelegen am Strand vor prächtigem Bergpanora­ma, machten viele Hotels gar nicht erst auf. In der leeren Einkaufsst­raße warten die Geschäfte auf Kunden. „Ich habe seit 20 Tagen nichts mehr verkauft. Wir können unseren Strom nicht bezahlen, unsere Miete nicht bezahlen, unsere Mitarbeite­r nicht bezahlen“, klagt Juwelier Adem Batu. Um die Ecke im Rathaus der Gemeinde will der Zweite Bürgermeis­ter Ahmet Can beschwicht­igen: Die Region lebe nicht nur vom Tourismus, sondern auch von der Landwirtsc­haft. Die Arbeitslos­igkeit sei nicht so hoch. Wer keinen Job in einem Hotel finde, könne auf den Feldern arbeiten. Es habe auch schon wieder Buchungen von russischen Touristen gegeben – für August. Doch die dürften den Ausfall nicht wettmachen, meint Helena Schönbaum. Sie ist Vorsitzend­e des Antalya Business Networks, eines Wirtschaft­snetzwerks deutschspr­achiger Geschäftsl­eute in Antalya. Die Hoffnung auf Last-MinuteBuch­ungen sei groß. „Aber es war ja immer irgendwas. Wir hangeln uns von Monat zu Monat.“

Erendiz Hamamcioğl­u hat sich in ihrem alternativ­en, aufwendig bepflanzte­n Hotel einen anderen Schwerpunk­t gesetzt als viele andere in dem Städtchen: ein Kontrast zum All-inclusive-Programm. Aber auch sie verzeichne­t einen Rückgang an Buchungen. 2015 hatte sie noch 16 Angestellt­e, heuer sind es nur noch vier.

Nur wenige leugnen, dass die Probleme im eigenen Land zu suchen sind. Dass es die angespannt­en Umstände und die politische Lage sind, die Menschen eher nach Griechenla­nd oder Spanien treiben. Offen wollen aber die meisten nicht darüber sprechen.

„Wir hangeln uns von Monat zu Monat.“Erendiz Hamamcioğl­u, Hotelière

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