Eine Heroine lockte Gustav Mahler
Dank der Sängerin Anna Bahr-Mildenburg und der Salzburger Festspiele wird Salzburg zur Heimstatt eines Gustav-Mahler-Archivs.
Der Sängerin Anna von Mildenburg erging es wie den Salzburger Festspielen: Die sich mehr oder weniger anbahnende Verbindung mit Gustav Mahler kam nicht zustande. Zu beiden hätte der Komponist und Dirigent nicht nur Sympathien gehegt, bei Anna von Mildenburg war es gar eine Amour fou. Für beide hätten sich geniale, überirdische, epochemachende Höhenflügen entfalten können. Doch die Umstände waren widrig.
Hätte Gustav Mahler länger als bis 1911 gelebt, wäre er Mitbegründer der Salzburger Festspiele geworden? „In jedem Fall“, stellt Franz Willnauer fest. Der einstige Generalsekretär der Salzburger Festspiele hat Leben, Lieben und Werk Gustav Mahlers erforscht und viele von dessen Briefen ediert; der jüngste Band „In Eile – wie immer!“erschien vor einigen Wochen. „In gewisser Weise ist Gustav Mahler einer der Vorväter der Salzburger Festspiele“, sagte Franz Willnauer im Podiumsgespräch am Mittwochabend im SN-Saal. Gustav Mahler bemühte sich um exemplarische Opernaufführungen – musikalisch wie szenisch. Er habe „Mustervorstellungen, die man zu Zyklen zusammenfassen sollte“, gefordert, erläutert Franz Willnauer. „Was anderes sind die Salzburger Festspiele in ihren guten Zeiten gewesen?“Man stelle sich vor, die Salzburger Festspiele wären 1920 mit Mozartaufführungen inszeniert von Max Reinhardt und dirigiert von Gustav Mahler eröffnet worden – „das wäre ein Glücksmoment gewesen!“
Dieser Glücksmoment kam nicht zustande. Erst ab 1960 sollten bei den Salzburger Festspielen Werke Gustav Mahlers immer wieder und von verschiedenen Dirigenten interpretiert werden. Seit 1974 gibt es keinen Festspielsommer mehr ohne dessen Musik. Damit diese nicht nur zu hören, sondern darüber künftig in Salzburg auch reichlich zu lesen sein wird, kam es am Mittwochabend zu einer symbolträchtigen Übergabe: Der Rektor der ParisLodron-Universität, Heinrich Schmidinger, übernahm die ersten vier Ordner mit Briefen Gustav Mahlers an Anna von Mildenburg. Diese sind ein Pars pro Toto des Gustav-Mahler-Archivs, das Franz Willnauer in sechs Jahrzehnten aufgebaut hat: rund 2500 Kopien von weltweit verstreuten Briefen, über 300 Bücher sowie Programmhefte und weitere Dokumente. All diese gehen ins Eigentum der Universität Salzburg und werden im Literaturarchiv nicht nur verwahrt, sondern – so eine Bedingung – den Studenten und allen an Gustav Mahler Interessierten zur Verfügung stehen.
Es gebe kaum eine Publikation über Gustav Mahler, die Franz Willnauer nicht herbeigeschafft habe, erläuterte Heinrich Schmidinger. Die Universität Salzburg erhalte somit „die größte, vollständige Bibliothek über Gustav Mahler, die man sich vorstellen kann“. Ins Literaturarchiv passt sie aus dem pragmatischen Grund des dortigen Lesesaals. Und: In Hinblick auf Franz Willnauers Lebensleistung sei dies als Forscher-Vorlass wertvoll, sagte Manfred Mittermayer, Leiter des Literaturarchivs.
Wie fügt sich das zu Anna von Mildenburg, abgesehen davon, dass im Unipark Nonntal ein Hörsaal nach ihr benannt ist? „Gustav Mahler war verrückt nach dieser Frau“, erzählt Franz Willnauer. „Sie war eine schöne und eindrucksvolle Frau, die eine unglaubliche Bühnenpräsenz
„Es ist die größte, vollständige Bibliothek über Gustav Mahler.“
hatte.“In den Hamburger Jahren war sie Gustav Mahlers Geliebte. Als dieser das Angebot nach Wien annahm, brach er mit ihr, um sie wiederum in Wien engagieren zu können. Denn: „Es war damals undenkbar, dass der Direktor der Wiener Hofoper ein Verhältnis mit einem Ensemblemitglied hat“, erläutert Franz Willnauer.
Von den Kopien der rund 2500 Briefe Gustav Mahlers, die nun nach Salzburg kommen, ist etwa ein Zehntel an Anna von Mildenburg gerichtet. Diese zog 1913 – also zwei Jahre nach Mahlers Tod – als Gattin Hermann Bahrs nach Salzburg und hat neun Jahre hier gelebt. „Sie hat das Erbe Mahlers weiter gepflegt“, schildert Franz Willnauer. Sie unterrichtete in München und 1929 an der Sommerakademie Mozarteum in Salzburg. In den 1920er-Jahren wirkte sie in „Das Salzburger Große Welttheater“in der Kollegienkirche mit und hat Franz Willnauer zufolge noch 1940 am Landestheater inszeniert. So folgert er: „Anna von Mildenburg ist eine starke Verbindungsperson zwischen Salzburg und Gustav Mahler.“ Buch: