Wer will noch für Wikipedia schreiben?
Das Onlinelexikon hat ein Büro in München eröffnet. Auch um neue Autoren zu gewinnen.
MÜNCHEN. WikiMUC nennen die Wikipedianer ihren neuen Ableger in München. In den Räumen spürt man dieser Tage ein Gefühl von Vorfreude und Aufregung. Hier soll mehr entstehen als nur ein Büro: eine Anlaufstelle für alle Interessierten und Wissbegierigen. Trotz der Online-Affinität sei der OfflineAustausch wichtig. Die lokalen Gruppen gäben „Wikipedia ein Gesicht“, sagt Martin Rulsch von Wikimedia Deutschland. Nach Köln und Hamburg ist WikiMUC das dritte Wikipedia-Zentrum in Deutschland. In Österreich ist die Wikimedia Foundation, jene gemeinnützige Gesellschaft hinter Wikipedia, in Wien ansässig.
Kevin Golde ist Teil des Münchner Teams. Der 20-Jährige gehört zu den jüngeren Wikipedianern – und schreibt dennoch bereits seit neun Jahren. In seinem ersten Artikel widmete sich Golde dem Münchner Olympiastadion. Irgendwann fiel ihm auf, dass es noch keine Artikel zu den Asterix-Comics gab, und machte sich an die Arbeit. Bis zu vier Stunden investiert er täglich in seine Wikipedia-Texte. Es gefällt ihm, zu etwas beizutragen. „Es ist auch schön, wenn die eigene Arbeit vielleicht häufiger gelesen wird als die von einem Goethe.“
Dieses Jahr feiert die deutschsprachige Wikipedia-Version ihr 15Jahr-Jubiläum. Mit zwei Millionen Artikeln ist sie der viertgrößte Ableger – nach der englischen, der schwedischen und der philippinischen. Rund 6000 Autoren schreiben im deutschsprachigen Raum unentgeltlich für die Enzyklopädie. Zwar schwanke die Zahl monatlich, grundsätzlich ginge die Tendenz aber nach unten, heißt es bei Wikimedia. Damit sich das ändert, können Interessierte nun an drei Tagen in der Woche das Büro im Münchner Glockenbachviertel besuchen. Abends oder am Wochenende veranstalten die Mitglieder Workshops und andere Treffen.
Hauptverantwortlicher ist Burkhard Mücke, Journalist im Ruhestand. Zusammen mit einem kleinen Organisationsteam hat er den Standort aufgezogen. Grundsätzlich laufe alles basisdemokratisch, erläutert Mücke. Und diskutiert wird viel. Das größte Problem um Wikipedia, meinen Mücke und Golde, liege in der teils „rüden“Kommunikation bei der Diskussion über die Artikel. Neue Schreiber würden durch den Ton abgeschreckt. Und die heftige Kritik an ihren Texten bewirke, dass sie keine Lust mehr hätten, für Wikipedia zu schreiben, sagen die Wikipedianer. „Diese Streitkultur muss sich ändern.“
Neuen Autoren den Einstieg zu erleichtern ist ebenfalls ein Ziel des Münchner Wiki-Büros. Denn Bedarf an Schreibern gibt es trotz der knapp zwei Millionen Artikel. Es gebe allein „über drei Millionen Lebewesen, die noch nicht beschrieben sind“, ergänzt Rulsch.