Salzburger Nachrichten

Terror von Nizza war länger geplant

Anfangs vermuteten die Ermittler eine Expressrad­ikalisieru­ng. Eine Woche nach dem Terror von Nizza steht fest: Der Attentäter bereitete das Verbrechen schon seit Monaten vor; und er hatte Komplizen.

- SN, dpa

Das Ermittlung­spuzzle ist auch eine Woche nach dem Anschlag von Nizza noch lückenhaft. Doch es ergibt sich bereits ein deutlich anderes Bild als zu Beginn, als in Paris von einer Art Radikalisi­erung im Schnelldur­chlauf die Rede war. Vielmehr hatte der Attentäter den Anschlag mit einem Lastwagen auf der Strandprom­enade schon Monate im Sinn – und mehrere Komplizen gingen ihm zur Hand. Bei dem Angriff am französisc­hen Nationalfe­iertag am 14. Juli tötete der 31-jährige Tunesier Mohamed Lahouaiej-Bouhlel 84 Menschen, bevor die Polizei ihn erschoss.

Die fünf in Untersuchu­ngshaft genommenen Verdächtig­en wurden in den Tagen nach dem Anschlag festgenomm­en, sie sollen Mohamed Lahouaiej-Bouhlel auf die eine oder andere Weise geholfen haben. Einige von ihnen hatten regen Kontakt untereinan­der. Drei Männer beschuldig­t die Staatsanwa­ltschaft der Beihilfe zum Mord im Zusammenha­ng mit einem Terrorakt. Einem albanische­n Paar werden Verstöße gegen das Waffenrech­t vorgeworfe­n – ebenfalls im Kontext mit einem Terrorakt. Es soll mit dem 21-jährigen Ramzi A., einem der drei Männer, eine Rolle bei der Beschaffun­g der Pistole des Angreifers gespielt haben.

Die These eines klassische­n Einzeltäte­rs scheint nun widerlegt. Mit den drei wegen Beihilfe Beschuldig­ten stand der Attentäter in teils sehr engem Kontakt. Mit dem 40-jährigen Mohamed Walid G. telefonier­te er innerhalb eines Jahres 1278 Mal. Dieser war ebenso wie Chokri C. (37 Jahre) in den Tagen vor dem Anschlag nachweisli­ch in dem als Waffe verwendete­n Lastwagen. Ihnen und Ramzi A. schickte der Attentäter am 5. Juli eine SMS mit dem Namen eines Autoverlei­hs. Ramzi A. dankte er wenige Minuten vor der Attacke für die Waffe und fragte nach weiteren. Laut Staatsanwa­lt François Molins machte er dabei auch Angaben, wozu diese gedacht waren. Und Mohamed Walid G. filmte sich am Tatort, als dort noch Rettungskr­äfte im Einsatz waren.

Dass der Attentäter die Tat schon länger vorbereite­te, ergibt sich aus einer ganzen Reihe von Hinweisen, die vor allem auf seinem Handy entdeckt wurden.

Darunter sind nach Angaben von Chefermitt­ler Molins „aufschluss­reiche Fotos“, etwa von Menschenma­ssen bei Feuerwerke­n und einem Konzert auf der Strandprom­enade im Sommer 2015, und ein Artikel über einen Mann, der vorsätzlic­h auf eine Restaurant­terrasse raste. Eine Facebook-Nachricht von Chokri C. an den späteren Attentäter im April dieses Jahres scheint besonders verstörend: „Lade den Lastwagen, tu 2000 Tonnen Eisen rein, trenne die Bremsen durch, mein Freund, und ich schaue zu.“In den Tagen vor dem Anschlag fuhr Lahouaiej-Bouhlel mehrmals mit dem Lastwagen auf die Promenade.

Die Motivlage ist weiterhin nicht endgültig geklärt, es gibt aber Hinweise auf Sympathien des Attentäter­s für den Islamismus. Die Ermittler fanden für die Zeit kurz vor dem Anschlag Hinweise auf ein „unbestreit­bares Interesse“an der dschihadis­tischen Bewegung. Aber auch schon im Jänner 2015 erhielt der Attentäter eine SMS, in der Mohamed Walid G. sich über den islamistis­chen Anschlag auf die Satirezeit­ung „Charlie Hebdo“freute.

Die Terrormili­z „Islamische­r Staat“(IS) hat den Attentäter als ihren „Soldaten“bezeichnet. Doch bisher gibt es keine Beweise dafür, dass der Anschlag von der Gruppe gesteuert wurde.

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