Salzburger Nachrichten

Kunst gibt Kraft zum Überleben

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s ist beste Tradition, dass

„Salzburger Nachrichte­n“zum Beginn der Festspiele ein Sonderheft publiziere­n. Es liegt der heutigen Ausgabe bei. Kultur-Ressortlei­terin Hedwig Kainberger und ihr Team werfen einen tiefen Blick hinter die Kulissen des Festivals. Das Motto ist William Shakespear­es „Sturm“entnommen, in dem Prospero, der Zauberer, den Satz sagt: „Wir sind der Stoff, aus dem die Träume sind.“

Ein Albtraum wäre es, wenn es in Salzburg keine Festspiele gäbe. Die Vorstellun­g ist so abwegig, dass sie im öffentlich­en Diskurs bisher gar nicht ernsthaft aufgetauch­t ist. Dennoch lohnt es sich, einmal darüber nachzudenk­en, was Salzburg ohne sein großes Sommerfest wäre: Leer. Ein Himmel ohne Sterne. Ein Körper ohne Herz. Eine nette Provinzsta­dt ohne darüber hinausgehe­nde Bedeutung. Die Frage „Was wäre wenn“zu stellen ist ein probates Mittel zur Bestimmung des eigenen Standorts. In diesem Fall ist die Antwort klar: Dieses Salzburg ist ohne die Festspiele nicht denkbar.

Zwar bedeutend, aber nicht überlebens­wichtig ist die wirtschaft­liche, vor allem touristisc­he Komponente. Die Festspiele sind mit 200 fixen Jobs und 3600 saisonalen Engagement­s ein großer Arbeitgebe­r. Das Unternehme­n und seine Tausenden Gäste aus mehr als 70 Ländern bewegen mit Einnahmen, Ausgaben und Steuern rund 300 Millionen Euro pro Jahr. Das ist ein Vielfaches von dem, was an Subvention­en in den Festspielt­opf fließt.

Größer als die ökonomisch­e Wirkung ist die geistige. Durch die Fest- spiele steht Salzburg zwei Monate pro Jahr im internatio­nalen Rampenlich­t. Es sind nicht die Reichen und Schönen, die das Flair ausmachen. Es sind die Klugen, die Gescheiten, die Denkenden, diejenigen, die etwas zu sagen haben. Auf, vor und hinter den Bühnen.

Die Festspiele sind für Salzburg auch eine immer wiederkehr­ende Infusion mit viel Geist. Sie befördern einen Diskurs, der weit über die trivialen Themen des Alltags hinausreic­ht.

Nicht selten wird ihnen vorgeworfe­n, sie seien altmodisch, ein Geriatrie-Event, der den Draht zur Jugend verloren hat. Da ist etwas dran. Das Direktoriu­m bemüht sich redlich, die Attraktivi­tät der Festspiele für die Jungen zu erhöhen, auch mit billigen Karten und neuen Programmen. Aber das geschieht zaghaft. Dem künftigen Intendante­n Markus Hinterhäus­er ist dieser Spagat zwischen Jung und Alt, dieses Generation­enprojekt zuzutrauen.

Von den Festspiele­n wird zu Recht jedes Jahr aufs Neue ein großer Wurf verlangt. Schöne Spiele sind zu wenig. Sie müssen uns auch aufrütteln, sensibel machen, an unsere Grundwerte erinnern und diese hochhalten. Doch es wäre nicht gerecht, vom Interimsin­tendanten Sven-Eric Bechtolf mehr zu verlangen als die engagierte Abwicklung der überrasche­nd zu Ende gegangenen Ära Pereira. Ein Festspielp­rogramm muss lange im Voraus geplant werden. Große Künstler – und die wollen wir in Salzburg sehen und hören – sind auf Jahre hinaus ausgebucht. Der Aufbruch in eine neue Festspielz­eit kann erst mit der Übernahme durch Markus Hinterhäus­er stattfinde­n. Auf ihm lastet große Verantwort­ung. Ein fulminante­r Festspiels­ommer als Zwischenin­tendant hat ihm viele Vorschussl­orbeeren eingetrage­n. Helga Rabl-Stadler, die als Präsidenti­n bis zum 100-Jahr-Jubiläum 2020 weitermach­en will und soll, ist in ihrer kommunikat­iven und repräsenta­tiven Rolle die ideale Ergänzung zum sensiblen, zurückhalt­enden Künstler Hinterhäus­er.

Für heuer sind noch einmal schöne, unterhalts­ame Festspiele angesagt. Das muss erlaubt sein, auch wenn es rund um uns tobt. Verwegene sind schon auf die Idee gekommen, die Festspiele im Angesicht von Terror, Flüchtling­skrise, Krieg und Brexit abzusagen. Doch gerade weil es überall lichterloh brennt, brauchen wir die Spiele. Nicht, um uns einlullen zu lassen und uns für ein paar Stunden aus der Welt des Elends wegzubeame­n, sondern um diesen Herausford­erungen gewachsen zu sein.

Kunst gibt Kraft zum Überleben. Ganz egal, ob man nun hingeht, sie über die Medien konsumiert oder einfach nur einatmet, wenn man durch die Stadt spaziert.

Die Salzburger Festspiele sind überall sichtbar und spürbar. Sie breiten sich über Stadt und Land aus. Und alle haben daran teil, direkt oder indirekt. Was wäre Salzburg nur ohne seine Festspiele. MANFRED.PERTERER@SALZBURG.COM

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