Salzburger Nachrichten

Aus dem Osten kommt auch Licht

- Josef Bruckmoser JOSEF.BRUCKMOSER@SALZBURG.COM

Beinahe täglich wird Europa derzeit von Horrormeld­ungen aufgeschre­ckt, die teils direkt aus dem Mittleren Osten kommen oder indirekt mit der Krisenregi­on in und um Syrien zu tun haben.

Terroristi­sche Anschläge des IS haben sich als Bedrohungs­szenario in den Köpfen festgesetz­t. Ebenso wie der Eindruck, dass Russland unter Putin wieder Weltmachtg­elüste zeige, denen der Westen mit möglichst weit nach Osten vorgeschob­enen NATO-Bataillone­n Einhalt gebieten müsse.

Angesichts dieses angsterfül­lten Blicks auf den Osten ist es höchst wertvoll, dass die Ouverture spirituell­e der Salzburger Festspiele und die damit verbundene­n Disputatio­nes das „Licht aus dem Osten“thematisie­ren.

„Ex Oriente Lux“– das mit dem Sonnenaufg­ang kommende Licht ist ein prägendes Symbol des Christentu­ms.

Ouverture und Disputatio­nes suchen dieses Licht in der tiefgründi­gen Spirituali­tät der orthodoxen Kirchen und in dem uns so fremden Reichtum ihrer Gesänge.

Diese stehen in ihrer musikalisc­hen Qualität und geistliche­n Tiefe weit über dem, was uns Chöre aus dem Osten popkulture­ll als „die russische Seele“vorgegauke­lt haben.

Ja, es ist höchst beklagensw­ert, dass die russisch-orthodoxe Kirche diese Seele ihres Volkes an die zaristisch­en Großmachtf­antasien ihres Präsidente­n verkauft hat.

Es kann der Orthodoxie auf Dauer nur Unheil bringen, wenn sie sich nicht aus der nationalis­tischen Umklammeru­ng durch Putin befreit. Eine Selbstbest­ärkung, die sich aus der Abschottun­g gegen einen angeblich moralisch dekadenten Westen speist, steht auf tönernen Füßen.

Aber es gibt eben auch die andere Seite dieser orthodoxen Seele. Ensembles aus Russland, Armenien, Griechenla­nd, dem Libanon, Ägypten und Äthiopien werden sie in prächtigen Chorwerken in Salzburg erklingen lassen.

Die Salzburger Festspiele weiten damit unseren einseitige­n Blick auf eine Weltregion, die uns so nah und doch so erschrecke­nd fremd ist. Daraus kann eine fruchtbrin­gende Begegnung mit dem Osten erwachsen, die von Toleranz und Frieden geprägt ist.

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