Aus dem Osten kommt auch Licht
Beinahe täglich wird Europa derzeit von Horrormeldungen aufgeschreckt, die teils direkt aus dem Mittleren Osten kommen oder indirekt mit der Krisenregion in und um Syrien zu tun haben.
Terroristische Anschläge des IS haben sich als Bedrohungsszenario in den Köpfen festgesetzt. Ebenso wie der Eindruck, dass Russland unter Putin wieder Weltmachtgelüste zeige, denen der Westen mit möglichst weit nach Osten vorgeschobenen NATO-Bataillonen Einhalt gebieten müsse.
Angesichts dieses angsterfüllten Blicks auf den Osten ist es höchst wertvoll, dass die Ouverture spirituelle der Salzburger Festspiele und die damit verbundenen Disputationes das „Licht aus dem Osten“thematisieren.
„Ex Oriente Lux“– das mit dem Sonnenaufgang kommende Licht ist ein prägendes Symbol des Christentums.
Ouverture und Disputationes suchen dieses Licht in der tiefgründigen Spiritualität der orthodoxen Kirchen und in dem uns so fremden Reichtum ihrer Gesänge.
Diese stehen in ihrer musikalischen Qualität und geistlichen Tiefe weit über dem, was uns Chöre aus dem Osten popkulturell als „die russische Seele“vorgegaukelt haben.
Ja, es ist höchst beklagenswert, dass die russisch-orthodoxe Kirche diese Seele ihres Volkes an die zaristischen Großmachtfantasien ihres Präsidenten verkauft hat.
Es kann der Orthodoxie auf Dauer nur Unheil bringen, wenn sie sich nicht aus der nationalistischen Umklammerung durch Putin befreit. Eine Selbstbestärkung, die sich aus der Abschottung gegen einen angeblich moralisch dekadenten Westen speist, steht auf tönernen Füßen.
Aber es gibt eben auch die andere Seite dieser orthodoxen Seele. Ensembles aus Russland, Armenien, Griechenland, dem Libanon, Ägypten und Äthiopien werden sie in prächtigen Chorwerken in Salzburg erklingen lassen.
Die Salzburger Festspiele weiten damit unseren einseitigen Blick auf eine Weltregion, die uns so nah und doch so erschreckend fremd ist. Daraus kann eine fruchtbringende Begegnung mit dem Osten erwachsen, die von Toleranz und Frieden geprägt ist.