Wo verblödet wird, muss Sprache laut sein
Statt von korrektelnden Langweilern muss hier von Sigi Maron geredet werden.
Sie sterben aus, die Unbeugsamen, die sagen, was sie denken und sich auch der Gegenrede stellen, weil sie zwar deftig verbalisieren, aber eben auch g’scheit und demokratisch genug sind, um zu wissen: Ein Standpunkt bleibt selten allein. Nur dreckig reden reicht nämlich nicht. Es muss der Dreck auch aufgewirbelt werden. Sie werden so viele – die, die sich hinter Quasi-Sprache, gebastelt aus leeren Worthülsen, verstecken. Es sterben die aus, die sich nicht flüchten in Floskeln, die schnell als Ausreden oder Ablenkungsmanöver entlarvt sind. Und weil diese Woche Sigi Maron starb, gibt es wieder einen weniger von denen, die gradheraus sagen, was sie denken – selbst wenn das Gesagte, wie in Marons berühmter „Ballade von ana hoatn Wochn“, ein simples „Leckt’s mi am Oasch“war. Der Song tauchte Mitte der 1970er-Jahre auf und lebt zeitlos weiter, bekam seither ungefähr 999 neue Strophen gegen die Diktatur der Bürokratie, gegen kleinkariertes Geistertum, gegen die Überhöhung jeder Banalität zur Sensation oder zum Skandal. Und jeden Tag kann man neue Strophen dazuschreiben, zu denen nichts besser passt als dieser laut geschriene Götz-Zitat-Refrain, wenn man wie Maron aufrecht bleiben mag, wenn man die Kleinen und Vernachlässigten und Ausgestoßenen, die Gescheiterten nicht aus dem Blick verliert. Dass mir einst – neben Georg Danzer – vor allem Maron als ein auf Österreichisch textender Liederschreiber als Verbalvorbild unterkam, führt bis heute zu Schwierigkeiten. Vorsicht sei nämlich das Gebot der Stunde, heißt es. Die Welt ist unübersichtlich. Diktatorische Deppen herrschen. Überall lauert Gefahr, wird gesagt. Vorsicht ist nur eine gute Idee, wenn man Gefährliches tut. Wo es gegen Gemeinheit, Dummheit, Niedertracht, um Ausbeutung durch Gier oder um Verblödung durch permanente Ablenkung und Nebensächlichkeiten geht – da hat Vorsicht nichts verloren. Dann sind klare Worte gefragt. Schön sprechen, sagt einmal wer aus der ängstlichen Verwandtschaft zu Lolinger. „Mir ist das scheißegal“, hatte sie geschnauzt. Immerhin: Ein ganzer Satz! Grammatikalisch korrekt. In der Aussage eindeutig. Kein „Gemma Europapark“, wie das die Gelangweilten smsen. Und auch kein reichlich kryptisches Trendhalbsätzchen wie „Chill your base“. Ob wir essen gehen oder lieber eine Pizza bestellen sollen, war die Frage. Um genau zu sein, sagte Lolinger darauf: „Mir ist das scheißegal, weil ich will einfach nur Musik hören.“Ich habe ihr dann die wunderbare Sigi-Maron-Platte „Live am Attersee“hingelegt. Da ist alles drauf, was man von einem Aufrechten lernen kann – die Poesie der kleinen Dinge und die verbale Kraft gegen das Wegducken und Kuschen, gegen die Sprachlosigkeit, die immer mehr in Mode kommen.