Salzburger Nachrichten

Schnell muss man sein

Leere Taschen, so weit das Auge reicht, doch das Salzburger Straßenthe­ater verrät trickreich­e Lösungen.

- Salzburger Straßenthe­ater, „Bezahlt wird nicht!“von Dario Fo, 42 Spieltermi­ne in Stadt und Land Salzburg bis 15. August. WWW.KULTURVERE­INIGUNG.COM

Kein Geld und trotzdem knurrt der hungrige Magen? Auf in den Supermarkt, denn bezahlt wird heute ganz einfach gar nicht! Die Einkaufssa­ckerl werden vollgestop­ft und unter die Hausschürz­en gepackt, der Volksaufst­and wird erprobt. Mit „Bezahlt wird nicht!“startet das Salzburger Straßenthe­ater in eine neue Ära. Am Donnerstag fand die Vorpremier­e in der Regie des neuen Künstleris­chen Leiters im Lehrbauhof statt. Nun führt der Südtiroler Georg Clementi die Geschicke der sommerlich­en Traditions­wanderbühn­e, sein Vorgänger Klaus Gmeiner verabschie­dete sich 2015 nach dreißig Jahren Künstleris­cher Leitung in den wohlverdie­nten Ruhestand. Als seinen fahrenden Erstling wählte Clementi eine Farce des 90-jährigen italienisc­hen Literaturn­obelpreist­rägers Dario Fo. Obwohl bereits Mitte der 1970erJahr­e verfasst, findet man in „Bezahlt wird nicht!“viele heutige Themen. Im Brennpunkt von Fos Gesellscha­ftskritik steht der neoliberal­e Turbokapit­alismus, den er in Wortwitz und grandioser Überzeichn­ung verpackt. Clementi hat daraus eine 70-minütige Spielfassu­ng extrahiert, die schon vor dem eigentlich Stück beginnt, denn bereits der Aufbau ist Teil seiner Inszenieru­ng. Eine charmante Idee für das Straßenthe­ater, das anlocken und zum Verweilen einladen soll. So werkeln die Schauspiel­er emsig an sich und dem Wagen lange vor dem Beginn. Als wahrer Glücksgrif­f in der Besetzung entpuppt sich Anja Clementi in der Rolle der energische­n Antonia. Sie ist eine richtige Spielemach­erin und tobt und parodiert als gefuchste Ehefrau von dem allzu rechtschaf­fenen Gewerkscha­ftler Giovanni (Géza Terner) durch den Plot. Ihre Spiellust scheint unmittelba­r aus dem Bauch zu kommen, keine einstudier­te Geste stört ihre spontane, direkte Spielweise. Als zusätzlich­e Auflockeru­ng hat Clementi drei Joker, die zugleich das Stück musikalisc­h und komödianti­sch begleiten, eingeführt. Alex Linse, Christine Rothacker und Eric Lebeau sind die sympathisc­hen Spaßvögel, die mit Schirm, Charme und Instrument­en durch die Aufführung flattern. Das alles passiert auf drei Ebenen: Erde, Wagen und dessen Dach werden gleichbere­chtigt als Spielfläch­e benutzt. Möglich macht das der neue Theaterwag­en. Er ist sozusagen Einstandsg­eschenk an Georg Clementi. Das alte Gefährt hatte nach vier Jahrzehnte­n den Spielgeist auf- und das Pickerl abgegeben. Ausstatter Andreas Lungenschm­id kündigte das Gefährt als „eine Art Transforme­r“an. Das tut auch not, denn bei den fahrenden Aufführung­en ist keine Zeit für aufwendige Umbauten, die Spieler erledigen alles selbst. Der Wettergott war zur Vorpremier­e zwar nicht bis zum Ende hold, einen pfiffig-unterhalts­amen Einstand mit viel guter Laune konnte er nicht verhindern. Info:

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BILD: SN/MARCO RIEBLER In Eile: Alex Linse, Detlef Trippel, Eric Lebeau (v. l.).
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