„Die Befreiung von Mossul darf nicht scheitern“In Washington berieten rund 40 Außen- und Verteidigungsminister der Anti-IS-Koalition über den Angriff.
SALZBURG, ERBIL. Der IS verliert an Boden. Tikrit, Samarra, Sindschar, Ramadi, zuletzt Falludscha – Stadt um Stadt erobern die von der USArmee unterstützen irakischen Streitkräfte zurück. Es ist ein langsamer Vormarsch Richtung Norden. Er schiebt Flüchtlinge aus den umkämpften Gebieten wie eine Bugwelle vor sich her. Bald kommt Mossul in Reichweite, das große Ziel der Anti-IS-Koalition. Neben Rakka in Syrien ist Mossul die Kapitale des „Islamischen Staates“. Rund 1,2 Millionen Menschen sollen in der Stadt Mossul leben. 2014 rückte der IS weitgehend kampflos ein. Die irakische Armee war Hals über Kopf davongelaufen. Eine Rückeroberung würde dem IS einen „entscheidenden Schlag“versetzen, meinte Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Doch „ob es gelingt, wann es gelingt, ist offen“. Steinmeier war einer der rund 40 Außen- und Verteidigungsminister, die auf Einladung ihres USKollegen John Kerry in Washington zwei Tage lang über Mossul und die Zeit danach beraten hatten. Österreich war durch Außenminister Sebastian Kurz vertreten. Militärisch kann die Republik keine Rolle spielen. Doch da es im Kampf gegen den IS laut Kurz keine Neutralität geben kann, steuert Österreich humanitäre Hilfe bei und bemüht sich, bei der Stabilisierung betroffener Regionen zu helfen. Diesem Ziel galt auch der kurze Besuch des Außenministers in den Kurdengebieten des Nordiraks am vergangenen Wochenende. Beherrschendes Thema: der bevorstehende Sturm auf Mossul. „Die Befreiung darf nicht scheitern“, betonte der Außenminister der autonomen Kurdenregion, Falah Mustafa Bakir. Während die irakischen Truppen aus dem Süden vorstoßen, halten die kurdischen Peschmerga die Front gegen den IS im Norden und Osten. Erbil, Hauptstadt der Kurdenregion, ist gerade einmal 80 Kilometer von Mossul entfernt.
Die Planungen in Erbil gehen von mindestens 400.000 und höchstens 900.000 Flüchtlingen aus, sobald die Offensive beginnt. Als hätte das kleine Kurdistan mit seinen fünf Millionen Einwohnern nicht schon genug Menschen aufgenommen. An die 250.000 Syrer und 950.000 Iraker haben im bislang ruhigen Kurdistan Schutz gefunden. Doch es ist nicht nur die erwartete Flüchtlingswelle, die zu zeitaufwendigen Vorbereitungen zwingt. „Wir brauchen einen Plan vor allem für die Zeit danach“, sagt Bakir.
Mossul ist die ethnisch meistgemischte und seit Langem gefährlichste Stadt des Iraks. Sie ist vorwiegend sunnitisch. Doch es leben auch (schiitische) Turkmenen in Mossul, Christen, Jesiden und Kurden. Mit den potenziellen Befreiern der irakischen Armee rücken auch schwer bewaffnete schiitische Milizen an, die Sunniten als Feinde verachten und für ihre Brutalität gefürchtet sind. Es gilt Übergriffe und Vertreibungen zu verhindern.
Und welche Rolle sollen die Peschmerga spielen? Sie stellen die kampfkräftigsten Einheiten, wollen aber nicht in den Verdacht geraten, eine arabisch-sunnitische Stadt zu besetzen. Geschweige denn wollen sie fremde Kastanien aus dem Feuer holen. Inzwischen ist das Flüchtlingscamp Debaga, gut ein Dutzend Kilometer von der Front entfernt, mit fast 20.000 Menschen voll belegt. Gerade wird Debaga II errichtet. Aber auch das wird, so betont UNHCR-Koordinator Jozef Merkx, bald aus den Nähten platzen. Jeden Tag kommen neue Flüchtlinge an, ganze Familien meist, brauchen Wasser, Zelte, Versorgung, und das ist, wie Merkx nur zu gut weiß, erst die Ruhe vor dem Sturm.