Salzburger Nachrichten

„Es braucht schon alles seine Zeit“

8300 Almen gibt es in Österreich. Lisi, Schurl, Isabell und Dominik interessie­rt nur eine einzige davon. Auf dem Loosegg im Schatten der Bischofsmü­tze treiben sie Kühe, kasen und brutzeln Pofesen. Die SN durften ein bisserl mithelfen.

- Urlaubslan­d Österreich

ANNABERG. Eine Sache ist ihm schon wichtig, dem Langfeldba­uern, und die sagt er gleich beim Hinauffahr­en zum Loosegg: „Die Praktikant­in, die lässt’ in Ruhe, dass ich da nix hör, gö!“Wir verspreche­n respektvol­len Umgang mit der Maid. Und schauen uns derweil lieber den prachtvoll­en Gosaukamm an, und wie die Bischofsmü­tze in den Serpentine­n einmal links, einmal rechts im Autofenste­r auftaucht.

Oben auf dem Loosegg ist noch nicht weiß Gott wie viel los. Lisi, die Sennerin, ist gerade beim Zwetschken­kuchenback­en. Gemahl Schurl richtet hinten im Kammerl ein paar Sachen her, für die Brettljaus­e, für die Pofesen, für die Gemüsesupp­e, die wenig später auf dem Holzofen in der Küche schmurgeln wird. Die Praktikant­in ist nirgends zu sehen.

Die SN treten den Dienst auf der Almhütte in der ehrlichen Absicht an, harte Arbeit im alpinen Agrotouris­mus zu verrichten und dann knallharte­n Journalism­us darüber abzuliefer­n. Vorweg sei eingestand­en: Gerade an diesem Tag, blöderweis­e, geht es recht ruhig zu auf dem Loosegg. Was dazu führt, dass der Redakteur die erste Powidl-Pofese verzehrt, noch bevor er eine serviert hat.

Aber bitte, da kommen schon ein paar Leute. Drinnen ein bisserl Obst auf den Kuchenteil legen, dann ins Rohr damit. Pofesen zu den Wanderern raustragen, abwaschen. Bestellung­en aufnehmen, ein bisschen frech zu den Gästen sein, Zirbenschn­aps servieren. In der Käsekammer die Molke abseihen, die Laibe umdrehen und einreiben. Das Plumpsklo kalken. Man werkelt so dahin, es gibt keinen Verkehrslä­rm, das Handy läutet nicht (kein Empfang), man muss nicht schauen, ob man auf Facebook etwas versäumt hat (auch kein Empfang).

Total entschleun­igtes Arbeiten also? „Na ja“, sagt Lisi, „an manchen Tagen, da sind hundert Gäste auf einmal heroben. Da rennst du nur mehr.“Aber wie gesagt, heute ist kein solcher Tag. „Eigentlich ist es da heroben immer gleich“, sagt jetzt Dominik. Der ist gerade vom Kasen hereingeko­mmen und hat sich auf sein Stammplatz­erl gefläzt: Das ist die Küchenbank gleich beim großen Holzofen, wo der Duft von den Kaspresskn­ödeln hinzieht. Dominik ist 16, auch Praktikant für die Käseherste­llung, und hilft beim Jausenmach­en mit. „Und beim Jausenesse­n“, wie er hinzufügt. „Es braucht halt alles seine Zeit“, sagt Schurl, und ob man am Vormittag oder am Nachmittag den Kas macht, das ist eigentlich wurscht.

Wobei, jeder Tag ist auch wieder nicht gleich. Einmal geht die Batterie kaputt, die ein bisschen Strom liefern soll. Einmal verliert man sein Handy irgendwo zwischen Käsetürmen. Einmal rennt eine Kuh ein Gatter ein. So sind die kleinen Aufregunge­n, die Lisi und Schurl, Dominik und Isabell (so heißt die Praktikant­in) beschäftig­en. Apropos Kühe: In der kleinteili­gen Viehwirtsc­haft kennt man sie natürlich beim Namen. Julie und Kia, Nelly, Smila, Emile, Lea, Alice und Hanna heißen sie. Für Statistik-Fans: Fünf bis sechs Liter Milch gibt eine Kuh pro „Mahlzeit“. Für Fachsprach­enFans: Die Mahlzeit, das ist der Output von einer Runde melken.

Das mit dem Melken ist übrigens eine Ausnahme vom Heidi-Idyll auf dem Loosegg: Da arbeitet die Vakuumpump­e und danach die elektrisch­e Zentrifuge. So viel Bequemlich­keit muss sein. Auch, wenn da heroben nur jeden zweiten Tag exakt fünf Käselaibe entstehen – die teils gleich nebenan von hungrigen Wanderern verschlung­en werden.

Irgendwie sind hier, drei Viehgatter und zehn Kilometer von der öffentlich­en Straße entfernt, viele Dinge sehr weit weg: Agrarsubve­ntionen, Bauernkamm­er, Fremdenver­kehrsverba­nd und Tourismusb­ank. Was tut ein Senner eigentlich abends, ohne Glotze und Pokémon Go? „Es is kein Schmäh – wir reden miteinande­r“, sagt Lisi. Und es wird klar, dass sie und Schurl schon ein bisschen die Ersatzelte­rn für ihre jungen Helfer sind.

Wenn die Gäste weg sind und der Ofen eingeheizt, dann holt Dominik die Gitarre und Schurl die Ziehharmon­ika. Und dann wird es kitschig. Spätestens, wenn „Der alte Jäger vom Silbertann­ental“erklingt und Schurl leise mitsingen muss. Lisi blickt durch das Stubenfens­ter auf die Bischofsmü­tze im Abendrot und seufzt: „Na ja, ein Internetan­schluss wär schon ganz nett.“

 ??  ?? Freiwillig­er Helfer beim Kasen: Der Senner und die Sennerin beobachten die Bemühungen mit Wohlwollen, aber doch skeptisch.
Freiwillig­er Helfer beim Kasen: Der Senner und die Sennerin beobachten die Bemühungen mit Wohlwollen, aber doch skeptisch.
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 ??  ?? Isabell, die Praktikant­in.
Isabell, die Praktikant­in.
 ??  ?? Lisis Zwetschken­kuchen.
Lisis Zwetschken­kuchen.

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