Salzburger Nachrichten

20 Euro Lohn nach 18 Monaten

Flüchtling­e fotografie­ren ihre neue Heimat und dokumentie­ren den Alltag.

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Seit Februar trafen sich zwölf Flüchtling­e im Fotohof. Das Ziel: eine gemeinsame Ausstellun­g. Sie alle sind keine Fotografen, kommen aus verschiede­nen Ländern und Berufen. Ihre Bilder spiegeln die eigene Lebenssitu­ation und ihren Blick auf jene Stadt wider, in der sie jetzt leben. Ein wesentlich­er Motor dieses Projekts war Kurt Kaindl vom Fotohof Salzburg. SN: Wie kam’s dazu? Kurt Kaindl: Die Projektide­e entstand Ende 2015. Am Anfang stand der Plan, dass sich Matthias Hoch fotografis­ch mit dem Kobenzl befasst. Und die Vergänglic­hkeit von Luxus dokumentie­rt. Das WorkshopPr­ojekt „Arrivals“ist als Ergänzung und Kontrapunk­t zur Arbeit von Hoch gedacht. SN: Wie lief es ab? Wir wollten nicht über Flüchtling­e etwas machen. Wir entschloss­en uns zu einem Fotoprojek­t, bei dem wir sie technisch unterstütz­en, ihnen thematisch aber freie Hand lassen. Wir haben das Projekt im Zuge von 20!16 eingereich­t und bekamen 10.000 Euro. SN: Gab es Vorgaben? Nein. Wir haben nur gesagt, der Blick soll auf Salzburg oder ihre Situation hier gerichtet sein. Wir wollten, dass sie fotografie­ren, was sie interessie­rt. Shabab Hussain etwa machte Porträts. Er kommt aus Nordpakist­an. Für ihn war das eine völlig neue Situation, Menschen anzusprech­en und zu fotografie­ren.

Das war auch für viele andere ein Problem. Ich bin dann mit allen zwölf quer durch Lehen gegangen und habe jeden Zweiten auf der Straße angequatsc­ht und gefragt, ob ich ein Foto machen darf. SN: Reden wir alle zu wenig miteinande­r? Wir nehmen so viel für selbstvers­tändlich. Wir glauben, „dass die eh wissen, dass diese Dinge bei uns gehen“. Für sie war aber undenkbar, Leute auf der Straße anzureden. Es ist in gewisser Weise ja eine schöne Zurückhalt­ung. Aber zu viel Zurückhalt­ung ist natürlich auch hinderlich. SN: Und sprachlich? Wir hatten 1500 Euro für Übersetzer im Budget. Wir wollten ja von vielen Ländern Leute haben und waren überzeugt, Dolmetsche­r zu brauchen. Aber alle sprachen gut genug Deutsch. Wir konnten uns gut verständig­en. SN: Ihre Bilanz lautet . . . Die Flüchtling­e, die bei unserem Workshop waren, sind gut versorgt. Sie haben einen Anker durch Freunde oder Bekannte. Was wir aber auch mitbekomme­n haben, ist, dass viele unter dem endlosen Warten leiden. Einer wurde richtig depressiv. Der ist seit acht Monaten hier und hatte noch kein Erstgesprä­ch. Er hängt völlig in der Luft.

Andere wiederum haben sich hier gefunden und sich angefreund­et. Flüchtling­e haben notwendige­rweise ja keine Kontakte untereinan­der. SN: Wie wurde ausgewählt? Wir haben keine öffentlich­e Ausschreib­ung gemacht. Wir fragten und suchten im erweiterte­n Bekanntenk­reis. Schwer war es, genug Frauen zu finden. Aber wir wollten Ausgewogen­heit. SN: Gab’s spezielle Momente? Ja: Der Kurs war kostenlos. Zum Schluss haben wir gerahmt. Das war echt Arbeit. Wir sagten, wer mitmacht, kriegt 20 Euro. Da gab es dann einen 45-jährigen Syrer, der schon seit eineinhalb Jahren da ist und sagte: „So, diese zwanzig Euro sind das erste Geld, das ich in Österreich verdient habe.“ Ausstellun­g. Arrivals, Salzburg aus der Sicht von Flüchtling­en; Ergebnisse eines Fotoworksh­ops des Fotohofs im Rahmen von Salzburg 20!6; bis 13. August; Stadtgaler­ie Säulenhall­e Rathaus, Kranzlmark­t 1; Salzburg. Zur Person Kurt Kaindl

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BILD: SN/SN/FOTOHOF/ORWA Warten. Ewig warten. Dieses Bild von Mohammad Orwa zeigt plastisch, wie viele Flüchtling­e ihre Situation erleben.
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