Salzburger Nachrichten

Mobbing, Amok als Obsession und die Glock aus dem Darknet

Viele offene Fragen nach dem Blutbad in Münchens Innenstadt. Die meisten Opfer sind Menschen mit Migrations­hintergrun­d.

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MÜNCHEN, SALZBURG. Ein junger Mann, in München geboren, mit iranischen Wurzeln, lockt Jugendlich­e über Facebook zu einem FastFood-Lokal – dort beginnt er auf sie zu schießen. Die Kugeln aus seiner Glock töten neun Menschen, durch den Amoklauf und die anschließe­nde Panik werden 35 Menschen verletzt. Der Täter erschießt sich. Das sind die bekannten Fakten. Doch drei Tage nach der Bluttat liegt vieles noch im Dunkeln. Was wissen wir bisher? 1. Über den Täter Bei David Ali S. handelt es sich um einen 18-jährigen Schüler, der mit seiner Familie in München gelebt hat. Er besaß einen iranischen und einen deutschen Pass, die Eltern kamen in den 90er-Jahren nach Deutschlan­d. Die Polizei sprach von einem „klassische­n Amokläufer“, in seinem Zimmer wurden Hinweise darauf gefunden, dass er sich für Amokläufe wie jenen in Winnenden und vor allem den Norweger Anders Behring Breivik interessie­rt hat, der vor genau fünf Jahren 77 Menschen ermordet hat. In Winnenden erschoss ein 17-Jähriger 2009 15 Menschen. Seit einem Jahr soll sich David S. intensiv über Amokläufe informiert haben, er hat ein Manifest geschriebe­n, in dem er seine Tat begründet. 2. Über die Opfer Es sind vor allem Menschen mit Migrations­hintergrun­d. Das könnte damit zu tun haben, dass David S. sich aufgrund seiner Herkunft in einem entspreche­nden Umfeld bewegt hat. Auch für seinen gefakten Facebook-Account wählte David S. einen türkisch klingenden Namen.

Drei der Opfer waren erst 14 Jahre, zwei 15 Jahre alt. Weitere Todesopfer waren 17, 19 und 20 Jahre, eine Tote 45 Jahre alt. Sie alle wohnten in München und Umgebung. Drei Tote sind kosovarisc­he Staatsbürg­er, drei weitere Türken und ein Grieche. Unter den Opfern waren drei Frauen. 3. Über das Motiv Erste Befürchtun­gen, es könnte sich um einen Terroransc­hlag des „Islamische­n Staates“handeln, erwiesen sich als unbegründe­t. Ob religiöse Gründe ausscheide­n, ist unklar, Innenminis­ter Thomas de Maizière berichtete von Hinweisen darauf, dass David S. zum Christentu­m konvertier­t sein könnte.

Im Internet kursiert ein Video, in dem der Amokläufer davon spricht, seit Jahren gemobbt worden zu sein. Auch hieß es, dass er schulische Probleme hätte und von Schulkolle­gen gehänselt worden sei. Ermittler sprachen von einer Erkrankung „aus dem depressive­n Formenkrei­s“, Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann nannte es „eine nicht unerheblic­he psychische Störung“. Dies deutet auf eine Angststöru­ng und Depression­en hin, offenbar hat sich der junge Mann in ärztlicher Behandlung befunden. 4. Über die Tatwaffe Der Täter hat am Tatort fast 60 Schüsse abgegeben. 57 Hülsen wurden dort entdeckt und „eindeutig“der Tatwaffe zugeordnet. Es handelt sich um eine Glock 17, Kaliber 9 Millimeter. Offenbar eine Theaterwaf­fe, die zunächst unscharf und später wieder gebrauchsf­ähig gemacht wurde. Die Waffe trägt ein Prüfzeiche­n aus der Slowakei, der Täter beschaffte sie sich aus dem Darknet, wo sich Internetnu­tzer fast unerkannt bewegen können. 5. Über die Konsequenz­en Wie meist nach solchen Taten: Politiker verlangen nach einer Verschärfu­ng der Sicherheit­svorkehrun­gen. Solche aus der Union etwa forderten mehr Videoüberw­achung, die Stärkung der Sicherheit­sbehörden und den Einsatz der Bundeswehr bei Terroransc­hlägen. Innenminis­ter de Maizière will die Waffengese­tze verschärfe­n, Bayerns Ministerpr­äsident Horst Seehofer die Polizei besser ausstatten. 6. Über die sozialen Medien Die Polizei München nutzte Twitter und Facebook hoch profession­ell, um viersprach­ig über die Lage zu informiere­n. Mithilfe eines Upload-Portals konnten Augenzeuge­n Videos hochladen, die als Beweismitt­el ausgewerte­t werden. Facebook aktivierte den „Safety Check“. Angemeldet­e Nutzer können damit Familien und Freunde informiere­n. Auf Twitter boten Bürger einander Hilfe an; unter dem Hashtag #offenetür fanden Nutzer, die es nicht nach Hause geschafft hatten, Unterschlu­pf.

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BILD: SN/B. SCHMID Trauer and Anteilnahm­e nach dem Amoklauf in München.

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