Salzburger Nachrichten

Tim Kaine tritt mit Clinton an

Der Senator aus Virginia zieht als Kandidat für die Vizepräsid­entschaft in den Wahlkampf. Heute, Montag, startet der Nominierun­gsparteita­g.

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WASHINGTON. Es dauerte keine fünf Sekunden beim ersten gemeinsame­n Auftritt mit Hillary Clinton an der Florida Internatio­nal University, da legte der Senator aus Virginia in fließendem Spanisch los. Er hieß die 5000 Zuhörer willkommen, die stundenlan­g auf die Vorstellun­g von Hillary Clintons „Running Mate“gewartet hatten. „Wir sind alle Amerikaner“, sagte Tim Kaine (58). Es war ein klarer Seitenhieb gegen Donald Trump, der gewiss nicht vor einem Publikum gesprochen hätte, dem mehrheitli­ch Latinos angehörten, darunter Gaststuden­ten aus Mittel- und Südamerika und Kinder, deren Eltern ohne Papiere ins Land kamen.

Die Begrüßung von Tim Kaine kommt so selbstvers­tändlich, weil er während seines Freiwillig­eneinsatze­s in Honduras Spanisch gelernt hatte. Das war 1980, als der Student der Harvard Law School seine Ausbildung für ein Jahr unterbrach, um jesuitisch­en Missionare­n in dem zentralame­rikanische­n Land zu helfen. Für den in einer frommen Familie im Mittleren Westen aufgewachs­enen Kaine sollte dies ein Jahr der Selbstfind­ung werden. Und eines, das seine Leidenscha­ft für den Kampf um soziale Gerechtigk­eit vertiefte. Das Interesse hatten die Jesuiten schon früh in Kaine geweckt, der in einem Vorort von Kansas City in eine katholisch­e Privatschu­le ging.

Nach seiner Rückkehr aus Honduras lernte er in Harvard seine Frau Anne Holton kennen, die aus der Familie des früheren Gouverneur­s Linwood Holton stammte – ein moderater Republikan­er, der Kaine in die lokale Politik einführte. Kaine heiratete die Gouverneur­stochter und zog in eine ethnisch gemischte Gegend Richmonds, der Hauptstadt Virginias. Hier wuchsen auch die drei Kinder Kaines auf. Der Rechtsanwa­lt engagierte sich im Stadtrat und übernahm 1998 das Amt des Bürgermeis­ters. Dort machte er sich einen Namen als Brückenbau­er zwischen Schwarz und Weiß, was in der früheren Hauptstadt der Südstaaten-Konföderat­ion alles andere als einfach war. Keine drei Jahre später rückte er zur Nummer zwei des Bundesstaa­ts auf. An der Seite des Gouverneur­s Mark Warner, der heute mit ihm im Senat dient, machte er sich einen Namen als verlässlic­her Partner und wurde dessen Nachfolger.

Die Stunde der Bewährung kam für Kaine am 16. April 2007, als ein Amokläufer an der Virginia Tech das bis Orlando schwerste Massaker in der Geschichte des Landes angerichte­t hatte. Diese Erfahrung bekräftigt­e Kaines Entschloss­enheit, sich für striktere Waffenkont­rollen einzusetze­n. Gewiss ein Pluspunkt an der linken Basis der Demokraten, die sonst eher ein gespaltene­s Verhältnis zu Clintons Vizepräsid­entschafts­kandidaten hat. Er gilt als Zentrist, der sich für Freihandel­sabkommen starkgemac­ht hat und persönlich gegen Abtreibung­en ist.

Die Frauenrech­tsgruppen haben dennoch kein Problem mit ihm, weil Kaine immer zwischen seinen privaten Ansichten und dem öffentlich­en Interesse zu unterschei­den wusste. Als strikter Vertreter des Rechtsstaa­ts garantiert­e er den Zugang zu legalen Schwangers­chaftsabbr­üchen und erlaubte als Gouverneur von Virginia trotz seiner Gegnerscha­ft zur Todesstraf­e die Exekution von elf Häftlingen.

Kaine hat sich selten darum gekümmert, woher der politische Wind wehte. Er gehörte zu den ersten Parteiführ­ern, die sich 2007 gegen Hillary Clinton und beherzt für Barack Obama aussprache­n.

Dass er nun von der Frau, der er 2008 einen Korb erteilt hatte, als „Running Mate“ausgewählt wird, spricht für seine Qualitäten. Clintons Ehemann Bill gehört zu den größten Fans des Senators, der als unprätenti­öser Mannschaft­sspieler gilt, der die Fähigkeit hat, jederzeit in die Rolle des „Commander in Chief“zu schlüpfen. Kaine ist Mitglied des außen- und sicherheit­spolitisch­en Senatsauss­chusses.

Als Schwachpun­kt könnte sich die Annahme von Geschenken im Wert von 120.000 Dollar während seiner Zeit als Gouverneur von Virginia erweisen. Kaine hat sie transparen­t gemacht und nichts davon war gegen das Gesetz. Doch für Donald Trump sind die Geschenke ein gefundenes Fressen. Via Twitter zog er über Kaine her und verpasste ihm den Schmähname­n „Corrupt Tim“. Kaine feuerte beim ersten Auftritt mit Clinton am Samstag in Miami zurück. Trump sei ein Scharlatan. „Er hinterläss­t eine Spur gebrochene­r Verspreche­n und zerstörter Leben.“

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BILD: SN/AFP Die demokratis­che Paarung für den Wahlkampf.
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Thomas Spang berichtet für die SN aus den USA

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