Erdogan lässt Schulen schließen
In der Türkei sitzen seit dem Putschversuch rund 6000 Menschen in U-Haft. Nach wie vor gibt es keine bekannten Beweise für eine Verwicklung der Gülen-Bewegung.
Unter dem Ausnahmezustand in der Türkei hat Präsident Recep Erdogan in seinem ersten Dekret die Schließung von mehr als 2300 Schulen und anderen Einrichtungen verfügt. Außerdem können Verdächtige mit dem Erlass ab sofort in bestimmten Fällen 30 Tage in Polizeigewahrsam gehalten werden, bis sie einem Haftrichter vorgeführt werden müssen.
Bisher waren maximal vier Tage möglich. Erdogan sagte, seit dem gescheiterten Putsch seien mehr als 13.000 Menschen festgenommen worden. Knapp 6000 seien in Untersuchungshaft.
Erdogan macht den in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen für den Putschversuch mit mindestens 270 Toten verantwortlich. Der Präsident hat angekündigt, staatliche Stellen von Gülen-Anhängern zu „säubern“. Die Regierung verdächtig sogar Erdogans Präsidentengarde, von Gülen-Anhängern unterwandert zu sein. Sie soll aufgelöst werden. Am Freitag waren 283 Soldaten des Spezialkräfte-Regiments am Präsidentenpalast in Ankara festgenommen worden.
Erdogan ordnete in seinem Dekret an, landesweit 2341 Einrichtungen mit angeblichen Gülen-Verbindungen zu schließen. Darunter sind 1043 private Schulen, 1229 gemeinnützige Einrichtungen, 19 Gewerkschaften, 15 Universitäten und 35 medizinische Einrichtungen wie Krankenhäuser. Die Entwicklungen in der Türkei lösten international Besorgnis aus, deutsche Politiker forderten Konsequenzen.
Erdogan sagte nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu, die Zahl der Festnahmen seit dem Putschversuch in der Nacht zum 16. Juli sei auf 13.165 gestiegen.
Unter den Untersuchungshäftlingen befänden sich 1559 Richter und Staatsanwälte sowie 123 Generäle. Mehr als 44.500 Staatsbedienstete wurden suspendiert. Rund 11.000 Reisepässe vor allem von Staatsbediensteten wurden nach offiziellen Angaben für ungültig erklärt. An den Flughäfen müssen Beamte nun eine Bescheinigung ihrer Behörde vorlegen, in der steht, dass ihrer Ausreise nichts im Wege steht. Das gilt auch für Ehepartner und Kinder. Noch am Donnerstag hatte die Türkei die Europäische Menschenrechtskonvention teilweise suspendiert.
Der deutsche CSU-Chef Horst Seehofer sprach sich für einen Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei aus. „Wenn man sieht, wie die Türkei nach dem gescheiterten Militärputsch den Rechtsstaat abbaut, müssen diese Verhandlungen sofort gestoppt werden“, sagte er.
Der deutsche Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir warf Erdogan vor, gewaltsam die Alleinherrschaft anzustreben. „Erst haben wir einen dilettantisch ausgeführten Putsch des Militärs erlebt. Jetzt folgt offensichtlich ein von langer Hand geplanter Staatsputsch“, sagte er in einem Interview.
Seit der Verhängung des 90-tägigen Ausnahmezustands kann Erdogan per Dekret regieren. Die Erlässe werden mit Veröffentlichung im Amtsanzeiger wirksam, das Parlament muss sie billigen. Sie können nicht vor dem Verfassungsgericht angefochten werden.