Salzburger Nachrichten

Karl-Heinz Grasser verbüßt schon die Höchststra­fe

Sein Aufstieg war ein Phänomen. Sein tiefer Fall ist auch eines.

- WWW.SALZBURG.COM/PURGER

Ob Karl-Heinz Grasser in den ihm zur Last gelegten Korruption­sfällen schuldig ist oder nicht, werden die Gerichte zu entscheide­n haben. Man kann nur hoffen, dass sie es noch in diesem Jahrzehnt tun. Wirkliche Beweise gegen ihn scheint es nicht zu geben, sonst wären sie längst den Medien zugespielt worden. Persönlich­keitsschut­z war im Fall Grasser ja immer ein Fremdwort. Man denke nur an die Hausdurchs­uchung, zu der die Justiz extra Journalist­en eingeladen hatte.

So gesehen macht es letztlich nicht viel Unterschie­d, wie der kommende Prozess ausgeht. Karl-Heinz Grasser verbüßt ohnehin schon die Höchststra­fe: Er, der zu Beginn in den Himmel gehoben wurde und dann auch selbst abhob, ist heute, wie er selbst einmal sagte, eine zerstörte Existenz. Seine kometenhaf­t begonnene Karriere liegt in Scherben.

Ganz abgesehen von den nun gerichtsan­hängigen Vorgängen lohnt es sich, über das Phänomen Grasser nachzudenk­en. Wie konnte es sein, dass der junge Kärntner, den Jörg Haider vom Uni-Hörsaal weg in die Politik holte, anfangs wie ein Popstar verehrt wurde? Als junger Finanzmini­ster wurde er in Wien an beinahe jeder Straßeneck­e um Autogramme gebeten. Und wie konnte es sein, dass man ihn in der gleichen Intensität, mit der man ihn zuvor bewundert hatte, später mit Hass und Vorverurte­ilungen verfolgte?

Irgendwie passte Grasser nie zu Österreich. Seine Paradiesvo­gel-hafte Selbstdars­tellung passte nicht zur grauen Parteienla­ndschaft. Seine wirtschaft­sliberalen Ansichten passten nicht zum Sozialpart­ner-System. Seine offensicht­liche Freude an der Politik und am Dasein insgesamt passte nicht zu unserer Republik, die es gewohnt ist, dass ihre hohen Funktionär­e das Amt als Bürde tragen.

Anfangs war es in den Augen der Öffentlich­keit Grassers großer Pluspunkt, dass er anders war als die anderen. Später wurde ihm genau das als Fehler angerechne­t.

Grasser war ein echter Quereinste­iger in die Politik. Quereinste­iger haben den Vorteil, dass sie frischen Wind und neue Ideen mitbringen. Sie haben aber den Nachteil, dass sie das System, in dem sie sich fortan bewegen, nicht kennen. Was Grasser fehlte, war Demut, es zu lernen. Er wollte nicht wissen, was in Österreich geht und was nicht. Und er hatte keine Freunde, die es ihm beigebrach­t hätten.

Grasser setzte auf die falschen Freunde, das hat ihn letztlich mit der Justiz in Konflikt gebracht. Möglicherw­eise ist er ein Täter, aber da es ja heutzutage üblich ist, den Täter irgendwie als Opfer der Gesellscha­ft zu sehen, ist auch Grasser ein Opfer. Nämlich ein Opfer der Mediengese­llschaft, die unbändige Lust hat, Personen in die Höhe zu heben und sich dann an ihrem Absturz zu weiden. Grasser hat sich mit seiner Selbstinsz­enierung in diese Medienland­schaft begeben, nun zahlt er die Rechnung.

 ??  ?? Alexander Purger
Alexander Purger

Newspapers in German

Newspapers from Austria