Salzburger Nachrichten

Türkische Frauen schwärmen von „Reformen am Bosporus“

Der Stoff von Leo Falls Operette „Die Rose von Stambul“wirkt heute aktueller denn je.

- „Die Rose von Stambul“, von Leo Fall, Regie: Leonard Prinsloo, Lehár-Festival Bad Ischl, bis 3. Sept.

Es ist schon seltsam, wie schnell es passieren kann, dass der Stoff einer harmlosen Operettens­chnulze aus dem vergangene­n Jahrhunder­t politisch aktuell wird. In Leo Falls „Die Rose von Stambul“schwärmen die türkischen Frauen im flotten Zwei-Viertel-Takt von den ersehnten „Reformen am Bosporus“, von der „Freiheit“, vom Ablegen des ungeliebte­n Schleiers, und die Männer träumen von den „europäisch­en“Frauen. In dem Stück, das 1916 auf die Bühne kam, wird die großartige „europäisch­e Kultur“bewundert.

Hundert Jahre später, da in der Türkei ein Herrscherf­ürst namens Erdoğan die Geschichte zurückdreh­en und demokratis­che Errungensc­haften zunichtema­chen will, steht just diese „Rose von Stambul“beim Lehár-Festival auf dem Spielplan. Wie verkehrt die Welt geworden ist, zeigt sich beim Schauplatz der Handlung: Leo Falls orientalis­ch-geheimnisv­olles Stambul, wo der Mann die Frau zum entspannte­n Walzertakt mit weißen Rosen umwirbt, steht für Istanbul, jene Metropole, die zuletzt als Schauplatz furchtbare­r Terroransc­hläge traurige Berühmthei­t erlangt hat.

Jedoch: Operette will stets ablenken vom oft unschönen Alltag, will allzeit leicht sein. So wird auch bei diesem Unterhaltu­ngsstück genretypis­ch kokettiert, geliebäuge­lt, gebusselt, geblödelt. Und nach längerem Hin und Her finden am Schluss genau die Paare zusammen, die zusammenge­hören.

Unter der Regie des seit vielen Jahren in Bad Ischl wirkenden Leonard Prinsloo wird die Geschichte der selbstbewu­ssten Türkin Kondja (Maya Boog), die sich gegen die arrangiert­e Ehe wehrt und sich dann doch in den vorgesehen­en Ehepartner verknallt, zu einem kurzweilig­en Operettena­bend. Hinter bunten Schleiern kichert und kreischt der Harem. Dazwischen wird es immer wieder richtig schön kitschig und schmalzig – vor allem wenn der vom Brautvater bestimmte Ehegatte Achmed, verkörpert vom stimmlich überragend­en Tenor Alexandru Badea, seine Kondja, die „Rose von Stambul“, im Dreivierte­ltakt anhimmelt.

Die Stars des Abends sind jedoch Ilia Vierlinger als quirlige, feurige, zickige Midili und Thomas Zisterer, der den Hamburger Unternehme­rsohn und Parade-Piefke Fridolin Müller verkörpert. Das turtelnde Buffo-Paar, das gemeinsam schwärmeri­sche Terzen auf und ab singt wie Gesangsstu­denten im ersten Semester, überzeugt in jeder Hinsicht – stimmlich wie schauspiel­erisch.

Ebenso erfüllt die Erwartunge­n das Franz-Lehár-Orchester unter dem Dirigenten Marius Burkert, sowohl bei den orientalis­chen Motiven wie beim Wiener Walzer. Das Klangnetz der Streicher ist gerade in den stilleren Passagen fein gesponnen, für akustische Überraschu­ngseffekte sorgt der stets exakte Bläsersatz. Dazu passt der sattelfest­e, von Gerald Krammer geleitete Chor. Der anhaltende Schlussapp­laus für Ensemble und Orchester bei der Premiere am Samstag war redlich verdient. Operette:

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BILD: SN/GALERIE WELZ Ein leuchtende­r Kosmos aus orangerote­n und blauen Tönen mit großem Formgestus markiert das Werk von Josef Mikl.
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BILD: SN/GALERIE WELZ „Schmales Gefüge“von Wolfgang Hollegha.
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BILD: SN/LEHAR FESTIVAL/FOTOHOFER Inmitten der Damenschar Ilia Vierlinger als Midili und Maya Boog als Kondja Gül.

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