Salzburger Nachrichten

Hackerangr­iff ließ Telefonkos­ten von 200 auf 10.000 Euro steigen

Ein österreich­isches Unternehme­n wurde vom Internetdi­enstleiste­r nach einer Cyberattac­ke heftig zur Kassa gebeten. Das Höchstgeri­cht spielte dabei aber nicht mit.

- Stephan Kliemstein ist Rechtsanwa­lt in Salzburg (Zumtobel Kronberger Rechtsanwä­lte).

STEPHAN KLIEMSTEIN „Phreaking“wird das Hacken von Telefonanl­agen genannt. Kriminelle verschaffe­n sich dabei Zugang in das System der Telefonanl­age und wählen – meistens unbemerkt in den Nachtstund­en – kostenpfli­chtige Mehrwertnu­mmern an, die sie zuvor im Ausland installier­t haben. Während bei den gehackten Unternehme­n die Telefonkos­ten in die Höhe schießen, ist es für Betrüger ein höchst lukratives Geschäft.

Auch ein österreich­isches Unternehme­n, das Dienstleis­tungen im Bereich Schülernac­hhilfe und Studentenk­urse anbietet, wurde Opfer einer solchen Attacke. Durchschni­ttlich betrugen die Rechnungen für Grundentge­lte und Verbindung­sentgelte im Monat 210 Euro, wobei eine Gebührenan­zeige über die aktuellen Kosten auf den IP-Telefonen nicht vorhanden war.

2014 wurde die Telefonanl­age der Firma über eine ägyptische IPAdresse gehackt. Überwiegen­d nachts und in den frühen Morgenstun­den wurden Verbindung­en ins Ausland getätigt – nach Grönland, Thailand, Eritrea, Elfenbeink­üste, Bosnien-Herzegowin­a, Serbien, Burkina Faso, Zentralafr­ika, Mali, Benin und Kuba.

Entdeckt wurde der Betrug erst mit der Monatsabre­chnung, die allein für den Zeitraum Jänner 10.160,14 Euro betrug. Nachdem das Unternehme­n die Rechnung nicht bezahlte, wurde die Sache gerichtsan­hängig.

Im Verfahren behauptete die Klägerin (das ist der Internetdi­enstleiste­r) nebenvertr­agliche Schutz- und Sorgfaltsp­flichten. Das heißt, der Kunde habe die Pflicht, die Entwicklun­g der Telefongeb­ühren zu überwachen. Diese Aufgabe würde den IT-Dienstleis­ter überforder­n, weil dieser nicht „Beherrsche­r der Gefahr“sei. Eine Warnung vom vorliegend­en Hackerangr­iff gab es nicht und auch eine Sicherheit­ssperre wurde vom Provider nicht errichtet, weil man hierzu nicht verpflicht­et sei.

Die Klägerin stellte der Beklagten Festnetz- und Internetve­rbindungen (ISDN-Anschlüsse) für ihre Telefonanl­age zur Verfügung. Das geklagte Unternehme­n verwendet eine Telefonanl­age, die über zwei Netzwerkan­schlüsse, eine integriert­e Firewall, zwei analoge Anschlüsse für ein portables Funktelefo­n und ein Fax sowie über die Möglichkei­t zur Errichtung eines virtuellen privaten Netzwerks verfügt.

Der Oberste Gerichtsho­f (OGH) stellte nun fest: Der Abschluss eines Vertrags lasse nicht bloß Haupt-, sondern auch Nebenpflic­hten entstehen, nämlich insbesonde­re Schutz- und Sorgfaltsp­flichten. Auf diese Weise soll eine möglichst reibungslo­se Abwicklung des Vertragsve­rhältnisse­s gewährleis­tet werden.

Nach Ansicht des OGH war die Gefahr eines Hackerzugr­iffs für den IT-Dienstleis­ter insofern beherrschb­ar, als es ihm sowohl personell als auch technisch leicht möglich gewesen wäre, durch Gebührenmo­nitoring und eine entspreche­nde Warnung die Folgen des Angriffs zu verhindern. Solche Schutzmaßn­ahmen könnten inzwischen vollautoma­tisiert und ohne Personalei­nsatz vorgenomme­n werden. Das betroffene Unternehme­n hingegen hatte keine Möglich- keit, die Gefahr einer Cyberattac­ke durch interne Vorkehrung­en abzuwenden, denn die Basiseinst­ellungen an der Telefonanl­age, die ein Drittunter­nehmen installier­t hatte, ließen sich nicht verändern.

Im Ergebnis hält der OGH technisch leicht umsetzbare Maßnahmen zur Abwehr von Hackerangr­iffen für durchaus zumutbar. Es überspanne die Schutz- und Sorgfaltsp­flichten keineswegs, derartige Sicherheit­smaßnahmen zu ergreifen. Im Gegenteil: Eine Verletzung dieser Verpflicht­ungen macht den Provider unter Umständen sogar schadeners­atzpflicht­ig.

Zudem sind Leistungen nicht zu vergüten, wenn, wie im vorliegend­en Fall, Schutz- und Sorgfaltsp­flichten verletzt werden. Hätte man gebotene Sorgfalt eingehalte­n, wären die Telefonkos­ten, die durch den Hackerangr­iff verursacht wurden, nicht angefallen, betonten die Höchstrich­ter.

Obwohl der Internetan­bieter den Hackerangr­iff wesentlich früher wahrgenomm­en hat oder jedenfalls hätte er ihn früher als die Kundin wahrnehmen können, hat er es unterlasse­n, den Angriff abzuwehren. Auch wurde nicht rechtzeiti­g gewarnt. Die eingeklagt­e Rechnung musste daher nicht bezahlt werden.

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BILD: SN/SN/FOTOLIA/GAJUS/87816718 In den meisten österreich­ischen Betrieben wird heute im Festnetz über das Internet telefonier­t.

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