Salzburger Nachrichten

Terror oder Amok? Mord bleibt Mord.

Ob ein Geistesges­törter oder ein Terrorist ein Verbrechen verübt, macht für Opfer und Angehörige im Ergebnis keinen großen Unterschie­d.

- Manfred Perterer MANFRED.PERTERER@SALZBURG.COM

Nach Nizza, Würzburg, München und jetzt Ansbach ist eine Debatte darüber aufgekomme­n, ob es sich bei den Gräueltate­n um terroristi­sche Anschläge, Attentate oder Amokläufe gehandelt hat. Für die polizeilic­he Aufklärung spielt die kriminolog­ische Typisierun­g vielleicht eine Rolle und für die politische Zuordnung auch, aber für die Opfer und deren Angehörige eher nicht.

Es lindert den Schmerz der Eltern der Todesopfer von München nicht, dass der Mörder ihrer Kinder „nur“ein geisteskra­nker Amokläufer war und nicht ein politisch eiskalt kalkuliere­nder Terrorist. Es macht für Mütter und Väter keinen Unterschie­d, ob die Auslöschun­g ihrer Lieben ein Jahr lang in einer Plattenbau­wohnung im Hartz-IV-München geplant wurde oder in einem Zelt vor der einstigen IS-Hochburg Rakka in Syrien. Mord bleibt Mord.

Für die Ergreifung von polizeilic­hen und politische­n Gegenmaßna­hmen ist die Einordnung von Tat und Tätern von Bedeutung. Nach einer solchen Serie von Gewalt hat man aber den Eindruck, als wüsste derzeit niemand so genau, was zu tun ist. Man hört die Politiker nach jedem Blutvergie­ßen dieselben Stehsätze sagen. „. . . tief erschütter­t . . ., teilen den Schmerz . . ., lassen uns nicht unterkrieg­en . . ., stehen fest auf der Seite der Freiheit.“Die Worte sind ehrlich und gut gemeint, spenden da und dort Trost. Aber sie zeugen auch von Unsicherhe­it und einer gewissen Hilflosigk­eit. Wenn der bayerische Ministerpr­äsident Horst Seehofer bereits zum dritten Mal innerhalb einer knappen Woche vor die verängstig­te Bevölkerun­g treten muss, was soll er noch anderes sagen, als Durchhalte­parolen schwingen, besondere Härte ankündigen und lückenlose Aufklärung verspreche­n?

Aber wie sieht die zuletzt so oft zitierte „Entschloss­enheit“aus? So wie die in Frankreich nach Charlie Hebdo und Bataclan in Paris, so wie die in Belgien nach dem Flughafen Zaventem und der U-Bahn-Station Maelbeek in Brüssel? Noch schärfere Gesetze, alle erfolglose­n Asylbewerb­er gnadenlos abschieben, mehr Polizei, mehr Bundesheer, alle Depressive­n unter Beobachtun­g?

Fakt ist, dass die Einschläge immer näher kommen. Die Betroffenh­eit sinkt mit dem Quadrat der Entfernung. Je näher wir am Geschehen sind, umso stärker fährt uns der Schock in die Glieder. Der Bombenatte­ntäter von Kabul hat am Samstag 84 Menschen umgebracht. Das war unserer aufgeregte­n Medienwelt nur eine kleine Notiz wert.

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