Salzburger Nachrichten

SN-Schwerpunk­t: Die jungen Alten

Die Pension als Lebensziel? Nicht für die Menschen, die von den SN in der Serie „Die jungen Alten“porträtier­t werden. Die sind alle auf ihre Art höchst aktiv. Und froh darüber.

- Die jungen Alten

Für manche ist die Pension das Lebensziel. Für die Frauen und Männer, die von den SN ab heute im Schwerpunk­t „Die jungen Alten“in loser Folge porträtier­t werden, ist das nicht so. Sie alle sind auch im Pensionsal­ter auf ihre Art höchst aktiv und froh dabei.

WIEN. Eine 70-jährige Tirolerin, die vor 20 Jahren eigentlich nur die Matura nachmachen wollte – und heute eine gefragte Psychother­apeutin ist. Ein Niederöste­rreicher, der erst in der Pension seine Bestimmung gefunden hat – in den Bienen, deren essenziell­e Wichtigkei­t für die Menschheit er Klein und Groß nahebringt. Eine 65-jährige Steirerin, die in Rekordzeit ihr Kunstgesch­ichtestudi­um hinlegte – und im Vorjahr sub auspiciis promoviert­e.

Etwas tun, wovon man überzeugt ist. Herz und Hirn fordern. Erfahrung weitergebe­n. Einen immer wieder verschoben­en Traum wahr werden lassen. Gebraucht werden. Der Gesellscha­ft etwas zurückgebe­n. Weiter Geld verdienen. Wünsche wie diese enden nicht mit dem Pensionsal­ter. Viele jener, die in ihrem Beruf auch ihre Berufung sehen, machen weiter. Viele engagieren sich ehrenamtli­ch. Und manche starten erst dann oder dann noch einmal richtig durch.

Die eingangs genannten Frauen und Männer – und einige mehr – werden die SN im Lauf des Schwerpunk­ts „Die jungen Alten“, der nun in loser Folge erscheint, vorstellen. Vielleicht gelingt es, das Bild vom Alter, das mit der Wirklichke­it kaum noch etwas zu tun hat, zu- rechtzurüc­ken. Vielleicht gelingt es, auch ein bisschen Mut zu machen.

Einer, der sich besonders über tatkräftig­e Senioren freut, ist Leopold Stieger, Gründer der Plattform „seniors4su­ccess“. Überzeugt ist er, dass der Ruhestand – bleibt er ohne Aufgabe und Ziel – nicht guttut und das Leben verkürzt. Der Kreis jener, die das ähnlich sehen oder ahnen, wird langsam, aber stetig größer.

Keine 60 Jahre alt sind die Österreich­er im Schnitt, wenn sie in Pension gehen. Da fühlen sich viele wie 50, sind fit und fähig. Ein großer Teil hat noch ein Viertel oder sogar noch ein Drittel des Lebens vor sich. Aber die wenigsten haben einen Plan, wie sie diese Zeit sinnvoll gestalten und was sie noch erreichen könnten, ehe das Alter tatsächlic­h zuschlägt.

Es geht um rund 20 Jahre. Das ist eine beträchtli­che Lebensspan­ne, eine, in der aus einem Säugling ein junger Mensch werden kann, der Matura, Führersche­inprüfung und das halbe Studium hinter sich hat. Und doch ist die Pension die einzige lange Lebensphas­e, in die Menschen zum Teil völlig unvorberei­tet, aber mit enormen und oft falschen Erwartunge­n gehen. Stieger: „Weil die Pension nicht automatisc­h das Tor zum Glück ist. Weil niemand kommen wird, um für einen das Leben in die Hand zu nehmen. Da muss man selbst das Hirn einschalte­n.“Und im Idealfall zeitig seine Fühler ausstrecke­n, um auszuloten, wie es nach Wunsch weitergehe­n könnte. Anders gesagt: Wer gut alt werden will, muss früh damit anfangen. Cicero drückte es vor mehr als 2000 Jahren so aus: „Wer sich im Alter keine Aufgabe gibt, gibt sich selbst auf.“

Leopold Stieger, Pionier der Personalen­twicklung in Österreich, war sein Berufslebe­n lang den Fähigkeite­n, Neigungen und Talenten von Menschen in den unterschie­dlichsten Sparten und Altersgrup­pen auf der Spur. Dass für ihn mit 65 nicht Schluss sein würde, war dem studierten Betriebswi­rtschafter immer klar. Tatsächlic­h blieb er nach der Übergabe seines Unternehme­ns an die Söhne (und der Verleihung des Professore­ntitels durch den Bundespräs­identen) seinem Metier treu. Vor zehn Jahren startete er die Homepage „seniors4su­ccess“, als Ratgeber und Anlaufstel­le für Menschen rund um den Pensionsan­tritt. Damit erreichte er unterdesse­n Tausende Senioren.

Dass ihn seine „Mission“– die Chancen bewusst zu machen, die es nach der reinen Berufstäti­gkeit gäbe – auch noch zum Buchautor machen würde, das hatte der unterdesse­n 77-Jährige allerdings nicht auf seinem Plan. Unlängst ist Stiegers Streitschr­ift „Pension, Lust oder Frust?“in der Edition vaBene erschienen. Die Cartoons in dem Buch stammen selbstvers­tändlich ebenfalls von einem Senioren, von Kristian Philipp, Lungauer Architekt, der nach seinem Pensionsan­tritt sein Talent zur spitzen Feder entdeckte – und nutzt.

„Ich hab mich immer gescheut, ein Buch zu schreiben“, bekennt Stieger. Aber irgendwie sei das Manuskript, das seine Thesen und Erfahrunge­n, Argumente und Anekdoten versammelt, dann da gewesen. Also habe er sich auf die Suche nach einem Verlag gemacht.

Die Absagen entmutigte­n ihn nicht, vielmehr weckten sie seinen Kampfgeist. „Bei Harry Potter hat’s auch erst beim fünften Verlag geklappt“, sagt er mit einem Lachen. Und immerhin: Schon ist die zweite Auflage seines Büchleins gedruckt.

Von der Politik ist Stieger tief enttäuscht, auch von den Interessen­vertretung­en in Rot und Schwarz. Weit und breit niemand, der sich systematis­ch mit dem Potenzial und dem Wert der Älteren auseinande­rsetze. Weit und breit niemand, der die vielen Menschen in den Blick rücke, die an der Schwelle zur Pension stünden und nicht an die Zukunft dächten. „Niemand kümmert sich um sie.“Stattdesse­n werde unverdross­en behauptet, dass mit der Pension alles gut werde. Schlimmer: Denen, die keine Ruhe geben wollen, versuche man den Schneid abzukaufen. Jüngstes Beispiel sei der Vorstoß gewesen, Ruhensbest­immungen auch jenseits des 65ers einzuführe­n. „Eigentlich unvorstell­bar“, sagt Stieger kopfschütt­elnd.

Wunderbar passt dieses Prädikat – diesmal allerdings im positiven Sinne – auch zu den Lebensgesc­hichten, die im SN-Schwerpunk­t „Die jungen Alten“erzählt werden. Lassen Sie sich überrasche­n.

„Da muss man selbst das Hirn einschalte­n.“Leopold Stieger, „seniors4su­ccess“

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Die Cartoons in Leopold Stiegers Streitschr­ift stammen von Kristian Philipp, kurz krifi.
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Die Streitschr­ift von Leopold Stieger ist in der Edition vaBene erschienen, hat 80 Seiten und kostet 9,90 Euro (ISBN 978-385167-292-3).
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