Erdog˘ an lässt 42 Journalisten verhaften
Der türkische Finanzminister räumt die Existenz von schwarzen Listen bereits vor dem Putschversuch ein.
ANKARA. Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdoğan verschärft den Druck auf seine Kritiker. Die Welle von Verhaftungen geht weiter. Am Montag stellte die Istanbuler Staatsanwaltschaft Haftbefehle gegen 42 Journalisten aus. Noch am gleichen Tag schwärmten Polizisten aus, um die Verdächtigen zu verhaften. Die Haftbefehle gegen die Journalisten wurden vom Istanbuler Anti-Terror-Staatsanwalt Irfan Fidan ausgestellt. Das deutet darauf hin, dass den Gesuchten schwerwiegende Vergehen vorgeworfen werden – offenbar im Zusammenhang mit dem vor zehn Tagen niedergeschlagenen Putschversuch.
Unter den gesuchten Journalisten ist die prominente Regierungskritikerin Nazlı Ilıcak. Nachdem sie die Polizei in ihrer Istanbuler Wohnung nicht angetroffen hatte, fahnden die Ermittler nun im Urlaubsort Bodrum nach der 72-Jährigen.
Ilıcak war Ende 2013 von der regierungsnahen Zeitung „Sabah“gefeuert worden, nachdem sie in der damals aufgekommenen Korruptionsaffäre die Entlassung mehrerer Minister gefordert hatte. Später schrieb Ilıcak unter anderem für die Zeitung „Bugün“, die der Bewegung des Erdoğan-Gegners Fethullah Gülen zugerechnet wird.
Außerdem wurden am Montag 31 Akademiker festgenommen, darunter etliche Universitätsprofessoren. Die türkische Regierung hat nach den Worten von Finanzminister und Vizeregierungschef Mehmet Şimşek schon lang vor dem gescheiterten Militärputsch Listen mit den Namen von Regierungskritikern erstellt. Dabei handle es sich um Anhänger des islamischen Predigers Fethullah Gülen, der für den Putsch verantwortlich sei, sagte Şimşek am Montag. „Dafür haben wir Beweise. Und deshalb hatten wir vor Wochen bereits in Militär, Polizei und Verwaltung Leute aus dieser Bewegung identifiziert“, so Şimşek. Eigentlich hätte dann im Laufe des Jahres entschieden werden sollen, wer in Pension geschickt und wer entlassen werde.
Nachdem Erdoğan nun bereits mehr als 60.000 Soldaten, Lehrer, Polizisten, Richter, Staatsanwälte und Wissenschafter suspendieren und mehr als 13.000 Menschen festnehmen ließ, trifft die Repressionswelle jetzt auch Beschäftigte von Staatsunternehmen: Die Fluggesellschaft Turkish Airlines hat laut türkischen Medienberichten vom Montag 211 Mitarbeitende entlassen. Der Konzern Türk Telekom teilte mit, 198 Mitarbeitende seien „in Zusammenarbeit mit den Sicherheitskräften“entlassen worden.
Derweil erhebt die Menschenrechtsorganisation Amnesty International schwere Vorwürfe: Es gebe „glaubwürdige Hinweise“auf Misshandlungen und sogar Folter von festgenommenen Verdächtigen in der Türkei. Amnesty-Europa-Direktor John Dalhuisen: „Berichte von Misshandlungen, inklusive Schlägen und Vergewaltigung im Polizeigewahrsam, sind extrem alarmierend.“Die Regierung müsse diese „abscheulichen Praktiken“sofort stoppen. Amnesty kritisiert auch die massive Einschränkung der Rechte von Beschuldigten. Ein von Erdoğan im Rahmen des Ausnahmezustands erlassenes Dekret bestimmt, dass Verdächtige künftig bis zu 30 Tage ohne richterlichen Beschluss von der Polizei festgehalten werden können.
Erdoğan sucht für sein hartes Vorgehen gegen Kritiker die Rückendeckung der Opposition. Am Montag traf er mit dem Vorsitzenden der größten Oppositionspartei CHP, Kemal Kılıçdaroğlu, und dem Chef der nationalistischen MHP, Devlet Bahçeli, zusammen.
Kündigungen auch bei Turkish Airlines