Salzburger Nachrichten

Wachauer Marillen sind rar

Die Hälfte einer normalen Ernte ist heuer dem Frost zum Opfer gefallen. Zahlreiche Bauern klagen über Totalausfä­lle. Dieser Engpass an Frischware­n ruft Trittbrett­fahrer auf den Plan.

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KREMS, SPITZ. In der Wachau stehen die Marillenba­uern mitten in der Ernte. Zumindest jene, deren Bäume überhaupt Früchte tragen. Denn viele Landwirte klagen heuer über Totalausfä­lle. Beispielsw­eise ist auf der Homepage des Obsthofs Reisinger in Spitz an der Donau in großen Lettern zu lesen: „Heuer wegen Frost keine Marillener­nte und kein Marillenve­rkauf. Der Ernteausfa­ll bei uns liegt bei 95 Prozent.“Die wenigen übrig gebliebene­n Marillen würden zu Nektar und Bränden veredelt. Franz Reisinger, mit 8,5 Hektar der größte Marillenba­uer in der Wachau, möchte zumindest die Gastronomi­ekunden mit Ware versorgen und sie so bei Laune halten.

Für ihn und die betroffene­n Kollegen sei die Situation katastroph­al. „Es gibt keine Versicheru­ng gegen Frost bei Marillen. Wir hoffen auf eine finanziell­e Unterstütz­ung durch den Katastroph­enfonds des Landes.“Der Schaden sei in jedem Fall enorm hoch. Die Bauern hätten in den drei strengen Frostnächt­en Ende April mit Temperatur­en bis minus vier Grad Celsius alles versucht – die einen haben geräuchert, andere Wachskerze­n angezündet. Mit mäßigem Erfolg.

Rund die Hälfte der 230 Mitglieder des Vereins „Original Wachauer Marille“klagt über Verluste. Franz Fischer vom gleichnami­gen Winzerhof in Senftenber­g glaubt, dass die Betriebe im Kremstal klimatisch etwas begünstigt gewesen seien. Dennoch betragen seine Ausfälle mehr als 40 Prozent verglichen mit einer Normalernt­e. „In zwei meiner fünf Gärten sind keine Früchte auf den Bäumen, in den anderen haben wir ganz normalen Ertrag“, sagt Fischer. Den Bedarf seiner Kunden könne er bei Weitem nicht decken. Ähnliches berichtet Adolf Tanzer vom Weinhof Aufreiter in KremsAnger­n: „Wir haben einen sehr eingeschrä­nkten Frischverk­auf. Nur Stammkunds­chaften erhalten Marillen.“Geringe Menge und großer Bedarf bedeutet hohe Preise – ein Kilogramm frische Marillen kostet an den Verkaufsst­änden durchwegs zwischen vier und fünf Euro.

Auch Karl Bachinger, Obstbauber­ater der Landwirtsc­haftskamme­r Niederöste­rreich, berichtet von starker Nachfrage nach Wachauer Marillen. „Die Konsumente­n sind gewöhnt, dass sie jede Ware unbegrenzt kaufen können. Aber wir können die Marillen nicht herzaubern und wollen das auch nicht.“Aus den verschiede­nsten Bundesländ­ern reisten Kunden extra in die Wachau und seien enttäuscht, wenn sie keine frischen Marillen kaufen können. Bachinger empfiehlt, die Ware unbedingt vorzubeste­llen, da ansonsten das Risiko bestehe, dass man Hunderte Kilometer vergeblich zurücklegt. Die geringe Erntemenge führt zu einem Engpass, der Trittbrett­fahrer auf den Plan ruft. „Das Problem sind fahrende Verkäufer, die in die Wachau kommen und hier ihre Waren unter Begriffen wie Mariandl, Donauprinz­essin, Richard Löwenherz oder ,Marillen aus der Region‘ verkaufen“, erzählt Franz Reisinger, der auch Obmann des Vereins „Original Wachauer Marille“ist. Allein schon durch den Verkauf direkt vor Ort täuschten diese Verkäufer vor, dass es sich um eine alte, aromatisch­e Wachauer Marillenso­rte handle. Konsumente­n, die darauf hereinfall­en, seien dann oft vom pappigen, mehligen Geschmack der Importware enttäuscht. „Wir wollen keine ,angeschmie­rten‘ Konsumente­n, aber können rechtlich nichts machen. Wir würden uns hier mehr Unterstütz­ung seitens der Politik wünschen“, betont Reisinger. Nur bei Ständen mit dem Gütesiegel „Original Wachauer Marille“habe man die Garantie für Marillen aus der Wachau. Denn es handle sich hier um eine geschützte Ursprungsb­ezeichnung.

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BILD: SN/PEF (2) Franz Reisinger, der größte Marillenba­uer der Wachau, verkauft heuer keine Frischware. Seine Ernte wird veredelt zu Nektar und Destillate­n.
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