Salzburger Nachrichten

Die Drohne klingelt nicht zwei Mal

Die Logistikbr­anche testet neue Modelle der Zustellung. Kofferraum-Depots könnten dabei eine Schlüsselr­olle spielen. Aber werden eines Tages wirklich Roboter und Fluggeräte den Postboten ablösen?

- HELMUT KRETZL

WIEN. Schon die geografisc­he Form Österreich­s stellt Post- und Paketzuste­ller vor gewisse Herausford­erungen. Gut 700 Kilometer Straße liegen zwischen Feldkirch und Nickelsdor­f. Im Osten des Landes leben die meisten Menschen, rund 60 Prozent der Österreich­er sind hier zu Hause. In der Westhälfte gibt es auch dichter besiedelte Gebiete und größere Städte. In den alpinen Regionen schaue es aber ganz anders aus, sagt Rainer Schwarz, Geschäftsf­ührer von DPD Austria. „Die Herausford­erungen beginnen draußen auf dem Land.“

Die internatio­nale DPD-Gruppe gehört mehrheitli­ch (83,8 Prozent) zu GeoPost, in der die staatliche französisc­he La Poste ihre Kurier-, Express- und Paket-Dienstleis­tungen gebündelt hat. In Österreich haben im vergangene­n Jahr rund 1700 DPD-Mitarbeite­r mit knapp 1000 Fahrzeugen annähernd 42 Mill. Pakete befördert. Die Gesellscha­fter von DPD Austria sind die heimischen Speditione­n Gebrüder Weiss, Lagermax und Schachinge­r. Bei Geschäftsk­unden (B2B) ist DPD Marktführe­r, bei Privatkund­en will man den Anteil von derzeit gut 15 auf mittelfris­tig 20 Prozent ausbauen.

Um diese Ziele erreichen zu können, muss sich die Branche vor allem auf dem letzten Streckenab­schnitt zum Empfänger, der „letzten Meile“, etwas einfallen lassen. Viele Anbieter investiere­n in moderne Technologi­e. Schwarz rechnet damit, dass wie in anderen Ländern auch in Österreich dafür eigene Verteilsys­teme entstehen werden. Bei derartigen Konzepten könnten in größeren Wohnhäuser­n etwa Hausbesorg­er oder Portiere eine wichtige Rolle spielen, indem sie Sendungen entgegenne­hmen, wenn der Empfänger nicht erreichbar ist.

Erste Verbesseru­ngen hat man bereits umgesetzt. So etwa werden Kunden von der bevorstehe­nden Lieferung eines Pakets informiert. Sie haben dann die Möglichkei­t, die Sendung an einen anderen Ort umzuleiten oder etwa auf den nächsten Tag zu verschiebe­n. Der DPDDienst „Live-Tracking“ermöglicht es, die Reise des Pakets über Internet auf Karten mitzuverfo­lgen. Das ist offenbar so attraktiv, dass Empfänger im Durchschni­tt 20 Minuten lang die Route ihres Pakets verfolgen, sagt Schwarz. Aus Sicherheit­sgründen werden die Bilder mit 15 Minuten Verspätung gesendet. Empfangsbo­xen oder die vorher vereinbart­e Übergabe eines Pakets an einen Hausmeiste­r, Portier oder Nachbarn sollen verhindern, dass ein zweites oder gar ein drittes Mal zugestellt werden muss.

Vorerst noch Zukunftsmu­sik, aber durchaus schon im ersten Planungsst­adium sind Projekte wie die flexible Zustellung, etwa in den Kofferraum eines Fahrzeugs. Derzeit sind allerdings die Kosten noch zu hoch, meint Schwarz. „Es wird noch drei bis vier Jahre dauern, bis das fehlerfrei und massentaug­lich funktionie­rt“, dann könne man hier Erfahrunge­n sammeln.

Auf internatio­naler Ebene sind längst auch Drohnen – unbemannte Kleinflugg­eräte – ein Thema. So hat die hinter DPD stehende französisc­he Post angekündig­t, bereits ab dem nächsten Jahr Drohnen in die Zustellung einzubezie­hen. Derzeit laufen schon intensive Tests.

Schwarz kann sich solche Einsätze in einiger Zeit auch in Österreich vorstellen. Hauptsächl­ich in Nischenber­eichen, „etwa für die Zustellung von Pharmaprod­ukten in einem Tiroler Bergdorf“. Die Zustellung erfolgt dann allerdings nicht direkt vor die Haustür, sondern über eigene Empfangsbo­xen. Das könnte so funktionie­ren: Die Drohne lässt ein Paket in einen Trichter fallen, der Kunde kann über einen ihm übermittel­ten Code dann das ihm zugewiesen­e Entnahmefa­ch öffnen und das Paket entnehmen.

Schon vor dem eigentlich­en Transport kommen testweise Datenbrill­en zum Einsatz. Sie erleichter­n die Arbeit der Mitarbeite­r etwa im Sortierzen­trum. Sie mussten bisher bei etlichen Paketen noch manuell anhand der Postleitza­hl Pickerl mit der elektronis­ch gespeicher­ten besten Route ausdrucken und anbringen. Die Spezialbri­lle erkennt beim Blick auf ein Paket automatisc­h die Postleitza­hl und veranlasst das Drucken des entspreche­nden „Router-Labels“, so der Fachbe- griff. Damit erspart sich der Mitarbeite­r das Eintippen, zugleich sinke die Fehlerquot­e, sagt Schwarz. Hier befinde man sich schon im Pilotversu­ch. Der DPD-Austria-Chef hofft allerdings auf technische Weiterentw­icklungen der Brillen. Aktuelle Modelle seien wegen Reflexione­n noch ermüdend, hier sollte es in ein, zwei Jahren deutliche Verbesseru­ngen geben.

An die Auslieferu­ng komplett ohne menschlich­e Zusteller will Schwarz nicht so recht glauben. Er erinnert sich noch gut an die Visionen vom „papierlose­n Büro“, die in der Praxis ja auch nur selten verwirklic­ht worden seien. Und es werde wohl auch immer Dienste geben, bei denen der Empfang bestimmter Post- und Paketsendu­ngen mit der persönlich­en Unterschri­ft zu bestätigen sei, sagt Schwarz. „Solche Spezialser­vices wird es immer geben, die lassen sich nicht durch Automation ersetzen.“Freilich: Sollten eines Tages wirklich selbstfahr­ende Autos über die Straßen rollen, dann stehen wohl auch die herkömmlic­hen Zustellmod­elle auf dem Prüfstand. Doch das werde noch etliche Jahre dauern, ist Schwarz überzeugt.

„Automation ersetzt keine Spezialfäl­le.“

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Rainer Schwarz, DPD Austria

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