Salzburgs neuer Lenker im Mittelfeld
Der Brasilianer Bernardo, 21, ist Shootingstar von Red Bull Salzburg. Er ist lernwillig, teamfähig – und trägt plötzlich auch die Hoffnungen auf einen Einzug in die Champions League.
Die Lücke, die Mittelfeldstar Naby Keïta bei Red Bull Salzburg hinterlassen hat, ist groß. Der deutsche Marc Rzatkowski, der in der Sommerpause vom FC St. Pauli gekommen war und vom Typ frappant an Publikumsliebling Kevin Kampl erinnert, sollte sie füllen. Doch noch hat sich der vom FußballFachmagazin „kicker“als bester defensiver Mittelfeldspieler der 2. Liga geadelte Rzatkowski bei den Bullen nicht durchsetzen können.
Dass der 15 Millionen Euro schwere Keïta, der künftig für RB Leipzig in der deutschen Bundesliga tricksen wird, in Salzburg dennoch schnell in Vergessenheit geraten ist, das ist ein Verdienst von Bernardo. Der 21-jährige Brasilianer ist zwar ein gelernter Innenverteidiger, in den ersten Saisonspielen hat er bei Red Bull Salzburg aber im zentralen Mittelfeld überzeugt. Und das aus gutem Grund: Der 1,86 Meter große Allrounder hat nicht nur seine defensiven Aufgaben gut gelöst, sondern avancierte mit zwei Saisontreffern gar zum besten Torschützen des Meisters.
„Nein, ich bin nicht der neue Topscorer“, meinte Bernardo mit einem verlegenen Lächeln, als würde ihm sein steiler Aufstieg selbst ein wenig unheimlich erscheinen. Doch der Sohn eines früheren Bayern-München-Legionärs, der 1991 ebenfalls unter dem Namen Bernardo fünf Spiele für den deutschen Rekordmeister absolviert hatte, ist alles andere als schüchtern. Bernardo junior ist lernwillig, teamfähig – und er ist Salzburgs Hoffnungsträger vor dem Auswärtsspiel in der Champions-League-Qualifikation bei Partizani Tirana.
„Ich sehe meine Qualitäten im defensiven Bereich, im Spiel eins gegen eins. Aber wenn sich die Gelegenheit ergibt, möchte ich natürlich auch Tore machen“, sagte Bernardo, der bei Red Bull Brasil ausschließlich in der Innenverteidigung spielte, sich auf seiner neuen Position aber sehr wohl fühlt. „Weil es ja auch eine eher verteidigende Position ist. Ich denke, ich bin in einem guten Anpassungsprozess“, erklärte der Brasilianer, ohne dabei überheblich zu wirken.
Dass Bernardo durchaus noch Entwicklungspotenzial hat, zeigen verschiedene Kennzahlen: So ist seine Passquote noch nicht die beste. Jeder unsaubere Pass wirkt sich auf das Umschaltspiel der Salzburger hemmend aus. Auch die vergleichsweise geringe Anzahl an Pässen weist ihm Mängel aus, da er trotz seiner tiefen Position nicht immer die erste Instanz im Spielaufbau war. Und dennoch schenkt ihm Trainer Óscar García momentan mehr Vertrauen als allen anderen potenziellen Mittelfeld-Lenkern. Wie Marc Rzatkowski oder Konrad Laimer.
Rzatkowskis Start in Salzburg war schwierig. Anfangs hieß es, dem 26-Jährigen fehle die Fitness, dann wurden ihm Anpassungsprobleme attestiert. Fakt ist: In der zweiten Qualifikationsrunde gegen FK Liepaja wurde der Deutsche gar nicht erst nach Lettland mitgenommen, am Wochenende gegen Sturm Graz fehlte er wegen einer leichten Adduktorenverletzung. Rzatkowski selbst gibt sich kämpferisch: „Körperlich geht es mir wieder gut. Mittlerweile habe ich mich auch gut eingelebt.“ Ob er gegen Partizani spielen wird, muss dennoch bezweifelt werden. Konrad Laimer wurde vom Trainer indessen ins halbrechte Mittelfeld beordert. Und der Versuch, gegen Sturm Graz den erst 17jährigen Dayot Upamecano als „Sechser“aufs Feld zu schicken, scheiterte kläglich.
Óscar García scheint sich ohnehin längst festgelegt zu haben. Er will Bernardo in Salzburg als neuen Denker und Lenker im Mittelfeld etablieren. „Wir haben im Training gesehen, dass er die Qualitäten für einen ,Sechser‘ mitbringt, und es probiert. Das funktioniert, denke ich, bisher auch ganz gut“, sagte der Red-Bull-Coach.
Wer so viel Vertrauen bekommt, bei dem wächst natürlich das Selbstvertrauen. „Ich versuche auf dem Spielfeld möglichst präsent für meine Mitspieler zu sein“, erklärte Bernardo, der am 1. Jänner 2016 zu Red Bull Salzburg wechselte, nachdem er sich zuvor als Testpilot in zwei Vorbereitungsspielen empfohlen hatte. Ausgestattet mit einem Vertrag bis 2020, will Bernardo nun die Lücke von Naby Keïta schließen. Je schneller, desto besser – und dennoch Schritt für Schritt, wie der 21-jährige Brasilianer betonte: „In Österreich wird sehr körperbetont Fußball gespielt. Ich bin eher ein schmaler Typ. Da braucht es Zeit, sich anzupassen.“