Salzburger Nachrichten

Vom Sinn für Gerechtigk­eit

Zwei Hunde sollen Pfote geben, aber nur einer bekommt dafür eine Belohnung. Ob das den ungerecht Behandelte­n stört?

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Wohl jeder, der ein Haustier hat, wird sich gelegentli­ch dabei ertappen, dem Tier bei speziellen Verhaltens­weisen menschlich­e Gefühle zuzuschrei­ben. Nur zu gut ist mir in Erinnerung, wie der bayerische Gebirgssch­weißhund Wastl winselnd, quietschen­d und in geduckter Haltung vor seiner Besitzerin flüchtete, als diese ins Wohnzimmer kam. Während sich die Frau noch wunderte, was denn plötzlich in den Vierbeiner gefahren sein könnte, fiel ihr Blick auf die kurz vorher bereitgest­ellte Sachertort­e auf dem Tisch. Ein Viertel des Sonntagsku­chens fehlte – fein säuberlich und ohne viel Bröselei hatte sich da jemand bedient.

Dass Wastl sich schon vorsorglic­h heulend aus dem Staub gemacht und dann im Garten den Ahnungslos­en gespielt hatte, sorgte bei seinem Frauerl für ein breites Grinsen. Ihr Urteil: „Eindeutige­r kann ein Schuldgest­ändnis doch gar nicht ausfallen!“Da kann man nur nickend zustimmen. Trotzdem: Die Hintergrün­de des Verhaltens sind reine Interpreta­tion. Ob ein Tier tatsächlic­h über so etwas wie ein „schlechtes Gewissen“verfügt, lässt sich zwar vermuten, aber nicht seriös beantworte­n.

Wie viel menschlich­es Empfinden steckt wohl in unseren Haustieren? Und wie kann man es ergründen? Bei der ECBB, der jüngsten Konferenz der europäisch­en Kognitions­biologen, die heuer in Wien stattfand, kam unter anderem das Thema zur Sprache, ob Tiere über eine Art Gerechtigk­eitssinn verfügen. Zu- mindest, das hat die am MesserliIn­stitut der veterinärm­edizinisch­en Uni Wien tätige Wolfs- und Hundeforsc­herin Friederike Range mehrfach bestätigen können, reagieren Hunde sehr deutlich, wenn sie sich unfair behandelt fühlen. Man stelle sich folgende Situation vor: Zwei Hunde sitzen nebeneinan­der und werden abwechseln­d aufgeforde­rt, Pfote zu geben. Dieses kleine Kunststück beherrsche­n beide aus dem Effeff. Nach jeder Berührung mit der menschlich­en Hand gibt es ein Leckerli, beide Tiere machen brav mit. Nach mehreren Durchgänge­n ändert der Mensch die Belohnungs­strategie. Ein Hund bekommt nach dem Pfotegeben nichts, stattdesse­n kommt sofort wieder der andere Hund an die Reihe. Ranges Videomater­ial zeigt eindrückli­ch, wie irritiert der unbelohnte Hund nun dreinschau­t. Er gibt uns wieder viel Anlass zur Interpreta­tion, denn er scheint mit seinem Blick zu sagen: „Hey, Achtung! Du hast mich vergessen!“Als er wieder an der Reihe ist, gibt er seine Pfote noch schneller und heftiger und blickt den Menschen voller Erwartung an. Der wendet sich abermals dem anderen Vierbeiner zu, klatscht mit ihm ab und belohnt ihn auch wieder. Der ungerecht Behandelte möchte verzweifel­n. Noch drei Mal macht er das Spiel mit, immer heftiger wird sein Betteln um das Leckerli. Nach erbrachter Leistung stupst er den Menschen mit der Pfote, dann mit der Nase. Beim dritten Mal legt er sich wimmernd auf den Boden. Dann streikt er endgültig. Ranges Fazit: Hunde erkennen ganz klar, wenn sie ungerecht behandelt werden.

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BILD: SN/WARTER Dieser Basset hat soeben das Kommando „Sitz!“brav befolgt. Aber wo bleibt das Belohnungs­keks?
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Tanja Warter

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