Und Mahler verabschiedete sich
Die 9. Symphonie und das „Lied von der Erde“mit Europas Jugend.
SALZBURG. Es bedurfte einer langen Prozession, bis die Hundertschaft junger Musiker den Platz eingenommen hatte auf der breiten Bühne der Felsenreitschule. Das Gustav Mahler Jugendorchester – übrigens eine Gründung von Claudio Abbado – ist optisch das gendermäßige Gegenteil der Wiener Philharmoniker. Lauter junge Damen, die wenigen Herren besetzen traditionsgemäß die Goldblechbatterie im Hintergrund.
So jugendfrisch das Ensemble, so düster und geradezu traurig die Musik, die es bei den Salzburger Festspielen am Mittwoch präsentierte. Zwei Werke des Namenspatrons Gustav Mahler, die er in den letzten, von Vorahnungen überschatteten Lebensjahren komponierte und selbst nie gehört hat, verbreiteten eine andächtige Stimmung im Saal. Allerdings war man auch angehalten, genau zuzuhören, denn der große Liedgestalter Christian Gerhaher war der Solist für den „Abschied“aus dem „Lied von der Erde“, das Mahler abergläubisch so genannt hatte, um sich vor der gefürchteten Zahl Neun bei den Symphonien zu drücken. Dem Vernehmen nach waren Randplätze der überbreiten Felsenreitschule davon ausgeschlossen, die zurückgenommen, aber intensiv von Gerhaher vorgetragenen poetischen Verse ausreichend laut zu hören. Dirigent Philippe Jordan war nicht schuld, er hielt das große Orchester in Zaum, das ein wunderbares Klangbild entrollte bis hin zum transzendentalen Abschied „Ewig . . . ewig“. Da „dirigierte“Jordan auch das Publikum und stoppte lange den Applaus.
Mahlers doch noch so genannte Symphonie Nr. 9 in D-Dur ist ebenso ein von Todesahnungen geprägtes Werk. Wunderbar, wie sich das Orchester hineinsteigerte in das komplexe Seelenleben, das Mahler ausbreitet ab dem melancholischen ersten Satz über den fast grotesken Ländler, vom widerspenstigen Rondo bis zu den „ersterbenden“letzten Pianissimo-Klängen. Eine große Leistung der jungen Elitemusiker.