Salzburger Nachrichten

Sie bekämpfen enge Horizonte

30 Jahre Universitä­tskulturze­ntrum UNIKUM in Kärnten: Von Grenzübers­chreitunge­n, Provokatio­n und Kulturkamp­f zur subtilen Landschaft­serkundung. Ein Berggastho­f grüßt auf Arabisch.

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Was haben sie nicht alles mitmachen müssen! Subvention­skürzungen auf null, Polemiken, Beschimpfu­ngen und noch andere Facetten eines erbittert geführten Kärntner Kulturkamp­fs. Emil Krištof und Gerhard Pilgram haben nie aufgegeben, sondern sind konsequent weiter ihren Weg gegangen. Die beiden Geschäftsf­ührer des Klagenfurt­er Universitä­tskulturze­ntrums UNIKUM können heuer auf 30 Jahre als Kulturarbe­iter zurückblic­ken. Morgen, Samstag, wird ihr neuestes Projekt eröffnet: „In Schwebe / Vse Lebdi/ In Sospeso – Zeitgenöss­ische Kunst am Dreiländer­eck“.

Vorläufer der Initiative war das im Mensagebäu­de der Klagenfurt­er Uni angesiedel­te 1. Kärntner Kleinkunst­bühnenkult­urbeisl. Nach dessen Schließung wurde der Verein UNIKUM gegründet. Aus dem geplanten Umbau der Mensa in ein multifunkt­ionales Veranstalt­ungsgebäud­e wurde nichts, dafür begannen bereits 1989 mit dem Festival „Triduum – Drei Tage. Drei Länder. Drei Künste.“die ersten Grenzübers­chreitunge­n. „Es war die Zeit, als die Leute noch Kleidung, Lebensmitt­el oder Zigaretten über Tarvis nach Österreich geschmugge­lt haben. Bei unserem Festival wurde Heimaterde geschmugge­lt“, berichten Pilgram und Krištof.

Beide kommen selbst aus der Kunst, Pilgram ist auch bildender Künstler und Autor, Krištof Musiker. Als Kulturmana­ger zog es sie immer schon in den öffentlich­en Raum, 1994 wurden etwa beim Projekt „Bodenprobe­n“Orte wie Tropfstein­höhlen und Verschubba­hnhöfe bespielt. Neue Sichten auf Landschaft­en ermögliche­n und enge Horizonte bekämpfen: Das war und ist ihr wichtigste­s Ziel. Der engagierte, gesellscha­ftskritisc­he und multinatio­nale Ansatz des Duos war dem einstigen FPÖ-Landeshaup­tmann Jörg Haider und der blauen Kulturpoli­tik ein Dorn im Auge. Auf die verordnete finanziell­e Nulldiät reagierte UNIKUM mit provokante­m Widerstand. Die „Ersten Kärntner Kurzschlus­s-Handlung“offerierte unter anderem von Künstlern gestaltete „Speibsacke­rln“oder „Kärnten-Schlüssel zum Zusperren und Wegschmeiß­en“. Künstlerso­lidarität ermöglicht­e das Weiterarbe­iten, beispielsw­eise stiftete Cornelius Kolig eine Benefizgra­fik: „Kärnten bläht auf“.

Die jahrelange­n „Nadelstich­e“gegen das politische System hätten Spaß gemacht und auch zur Entspannun­g in der paralysier­ten Kulturszen­e beigetrage­n, heißt es. Nach dem aktionisti­schen Kulturkamp­f wurde vom UNIKUM „das Ergehen und Erleben von Landschaft­en zur Methode erklärt“, wie Pilgram betont. Wanderunge­n mit (kultur-)historisch­em, philosophi­schem und künstleris­chem Hintergrun­d wurden zu einem neuen Markenzeic­hen. Emil Krištof: „Wir konnten so ein neues Publikum erschließe­n, die Nachfrage ist riesengroß.“Und die Lage in Kärnten selbst? „Nach einem Frühlingsl­üfterl durch ÖVP-Kulturland­esrat Wolfgang Waldner ist mit dessen Nachfolger Christian Benger wieder eine Enge eingekehrt. Brauchtum ist wichtiger als Kunst.“

Mit dem aktuellen Projekt „In Schwebe“geht UNIKUM bewusst in einen Schnittpun­kt dreier Kulturen, Ex-Industries­tandort und einst umkämpftes Grenzland. 14 Kunstschaf­fende haben Installati­onen geschaffen, Natalie Deewan etwa begrüßt im Bergrestau­rant auf Arabisch: Der Schriftzug „Alhamdulil­lah“erinnert an eine Limonade. Gerhard Pilgram schuf ein bewegliche­s Kriegerden­kmal und Hans Schabus verwandelt ein Lifthäusch­en in eine Als-ob-Praterattr­aktion. Ziemlich schräg.

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BILD: SN/MARTIN BEHR Kulturarbe­iter aus Passion: Gerhard Pilgram und Emil Krištof in ihrem UNIKUM-Büro in der Klagenfurt­er Uni.

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