Salzburger Nachrichten

„Alles kann sein, aber nichts muss sein“

Wie viel Schule braucht die Kunst? Als „Autodidakt in allem“lehrt Zeichner und Literaturp­reisträger Tex Rubinowitz in Salzburg.

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Vom Interview lässt er sich nur kurz ablenken, als der Hund einer Studentin anfängt, im Kursraum begeistert an einer Karotte zu kauen. „Der isst Gemüse? Ist er Vegetarier?“, fragt Tex Rubinowitz interessie­rt. Für das Absurde im Alltäglich­en hat er einen berühmten Blick. Immer wieder liefert es dem Zeichner Rubinowitz den Stoff für seine markant hingestric­helten und mit pointierte­n Sprechblas­en versehenen Cartoons.

In der Klasse, die Tex Rubinowitz auf der Festung Hohensalzb­urg derzeit leitet, geht es aber nicht um das Verdichten von Witzen zu Comics. „Hommage“lautet der Titel des Malereikur­ses, zu dem die Internatio­nale Sommerakad­emie ihn erstmals als Dozenten eingeladen hat.

Nach den Regeln der Kunst belehren will er seine (ausschließ­lich weiblichen) Studierend­en dabei freilich nicht: „Ich bin ja weder Kunsthisto­riker noch Kunsttheor­etiker.“Bei der Auseinande­rsetzung mit den Ideen, die sie entwickeln, „greife ich nur auf meinen Instinkt zurück. Ich kann sagen, die Richtung, in die du dich bewegst, ist interessan­t, und die lieber nicht. Das ist viel mehr eine Arbeit mit Gefühlen als mit Materialie­n“.

Kann man sich kreative Eingebung überhaupt vornehmen? „Wenn Sie mir jetzt sagen, ich soll spontan etwas Lustiges zeichnen, könnte ich das gar nicht“, sagt der Zeichner. „Meine Cartoons entstehen fast wie in Trance, dazu muss die Stimmung richtig sein, und es muss ein Fernseher laufen.“

Mit der Berufsbeze­ichnung Cartoonist wäre es freilich nicht getan bei einem, der auch als Musiker mit seiner Band namens Mäuse Platten aufgenomme­n hat, als Rezensent bei Spiegel Online Metal-Bands kritisiert, als Maler den Null-Punkte-Kandidaten der Song-ContestGes­chichte Hommagen widmete – und 2014 als Literat den BachmannPr­eis gewonnen hat. Ganz unverhofft. „In allem, was ich mache, bin ich ja Autodidakt. Und ich halte mir dabei stets die Option frei, dass alles sein kann, aber nichts sein muss. Das nenne ich für mich die SDGA-Formel: Sich den Gegebenhei­ten anpassen. Beim Bachmann-Preis las ich, weil ich eingeladen war, nicht, weil ich gewinnen wollte. Mit dem Kopf durch die Wand zu wollen hätte keinen Sinn.“

Auch bei der Sommerakad­emie, die von Studierend­en mit verschiede­nsten berufliche­n Hintergrün­den besucht wird, sei das SichAuspro­bieren ohne Druck ein durchwegs tragfähige­s Motto. Anders sei die Situation naturgemäß für Studenten, die er an Hochschule­n unterricht­e. „Die müssen auch eine sehr hohe Leidensfäh­igkeit haben. Der Kunstmarkt ist ja überfüllt, und 95 Prozent eines Jahrgangs haben kaum reale Chancen, danach auch bei einer Galerie zu landen.“Rubinowitz selbst hat die Kunstuni 1984 nach nur einer Woche freiwillig verlassen – obwohl er in die Klasse von Oswald Oberhuber aufgenomme­n war. Doch der Malerstar „war ohnehin nie anwesend, es hätte also auch nichts gebracht, wenn ich länger geblieben wäre“.

Dass jetzt sein Weg in die Klasse wieder täglich mit absurden Wahrnehmun­gen gepflaster­t ist, hat indes nicht nur mit Karotten zu tun, sondern auch mit Salzburg zur Hochsaison. Zwischen Touristenm­assen, Festspielp­runk und Playback-Straßenmus­ikern „hat die Stadt schon etwas Unmenschli­ches, Brutales an sich. Wenn ich im Kursraum angekommen bin, atme ich immer erst einmal tief durch“. Tag der offenen Türen:

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BILD: SN/SUMMERACAD­EMY Tex Rubinowitz

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