„Na bravo! Jetzt liest du schon wieder in dem Schundheftl“
Heute vor 60 Jahren erschien „Bravo“zum ersten Mal. SN-Redakteure erinnern sich.
Verboten, verachtet und geliebt. Zu „Bravo“haben auch die Redakteure der SN einen sehr unterschiedlichen Zugang.
TV-Redakteur Pierre A. Wallnöfer wurde es von den Eltern verboten. „,Bravo‘ war aber trotzdem interessant. Es hatte als erste Zeitschrift Hitparaden, nicht nur deutsche, sondern auch aus den USA und England. Das passte glänzend zu meinem Lieblingssender AFN (American Forces Network), dessen Sound neben brandaktuellen Songs von gehetzten Durchsagen über ,Bumper-to-Bumper-Traffic‘ geprägt war. Das glatte, geschmeidige Papier war auch faszinierend.“
Der Starschnitt ist eine wichtige Rubrik. Über Wochen kann man die Teile eines meist lebensgroßen Posters seines Lieblings sammeln. Eine Freundin von Lokalredakteurin Michaela Hessenberger verehrte Brian von den Backstreet Boys und hatte ihn über ihrem Bett hängen – mit Tixo befestigt. Eines Tages stand ein Umzug an und so friemelten die beiden Freundinnen den lebensgroßen Brian mühsam von der Wand und breiteten ihn auf dem Boden aus. Dort war Brian dem Kater ausgesetzt, der kurzerhand in sein Gesicht markierte. War es Liebe oder Hass? Man weiß es nicht. Wissenschaftsredakteurin Barbara Morawec erinnert „Bravo“an den Sommer 1973. „Im Transistorradio auf der Fensterbank in Rosis Garten dudelte ,Mexiko‘ von den Les Humphries Singers. Rosi war gerade 13 geworden, ein Jahr älter als das andere Mädchen, das unter der Markise das tat, was daheim verboten war: Lippenstift auftragen und Schundheftl lesen. Rosis Mama war Holländerin und sah die Dinge vermutlich etwas lockerer. So saßen die beiden Mädchen einen Nachmittag lang in der Hollywoodschaukel, mit runtergerutschten Stutzen und losen Spangerln im Haar, wippten im Takt zur Hitparade und verschlangen, was ,Bravo‘ zu bieten hatte. Geschichten über die faden Osmonds und die Rockröhre Suzi Quatro. Und freilich lasen die beiden Dr. Sommer. Er schrieb Unerhörtes über Unglaubliches. Nein, liebe Kinder, damals konnte man noch nicht googeln. Damals war man auf Rosis angewiesen, die Lippenstift hatten und ,Bravo‘.“
Auch Online-Chef Thomas Hofbauer eröffnete „Bravo“eine neue Welt – das World Wide Web war ja noch nicht erfunden. Zum großen Thema wurde „Bravo“immer im Ferienlager. „Da saßen wir dann um das Feuer und lasen in einer Gruppe Neun- bis Fünfzehnjähriger Dr. Sommer.“In Erinnerung blieb das Ansinnen zweier Dreizehnjähriger, die „es“, also das erste Mal, endlich hinter sich bringen wollten. „Das ,Männergespräch‘, das mit wissendem Gelächter und aufschneiderischem ,Erst mit dreizehn?‘ gespickt war, ließ vor allem die Jüngeren am Lagerfeuer mit vielen Fragen, aber sicher nicht aufgeklärt zurück.“Für Kulinarik-Experten Peter Gnaiger war „Bravo“irgendwie zu platt. „Also habe ich ,Popcorn‘ und ,Rennbahn Express‘ gelesen. Die wurden mir dann aber auch zu blöd. Darum begann ich Hermann Hesse zu lesen und merkte: Hesse liest sich irgendwie naiv geil, fast so wie ,Bravo‘, nur ohne Bilder. Außerdem hat der Hesse unterm Arm auf dem Schulweg besser ausgeschaut als ,Bravo‘. Das war wohl ein bisserl so wie mit der ,Praline‘, die wir in der FAZ eingebettet ,lasen‘.“
Steiermark-Korrespondent Martin Behr erfuhr via „Bravo“vom Erfolg der deutschen Schülerband The Teens und wurde neidisch: „Wir alle wollten Rockstars werden und diese Berliner, die schrecklich aussahen und noch schrecklichere Musik machten, hatten es geschafft. Es war für mich unverständlich, warum Mädchen für den Teens-Sänger Robbie schwärmten. Wie ich mich abreagiert habe? Vor dem Spiegel im Schlafzimmerschrank der Eltern spielte ich Luftgitarre zu ,Black Betty‘ von Ram Jam.“