Der Kaiser lockt die Massen
Österreichs Tourismus blüht und füllt die Kassen. Vor allem im Schloss Schönbrunn, einer rot-weiß-roten Topattraktion. Die Imperial-Tour geleitet rasch und professionell durch 22 Räume.
Aufsperren, Licht an und schon sind Walzerklänge vom Tonband zu hören. Lang vor dem Aufsperren der Kassen werden zu früh kommende Gäste akustisch in Stimmung versetzt. Dort, wo im Laufe des Tages Tausende Menschen sich artig um ein Ticket anstellen, wird man vornehmlich auf Englisch angeredet. „Can I help you?“„Ja, sicher, eine Imperial-Tour bitte.“Kostet 13,30 Euro und offeriert 22 Räume in 35 Minuten. Ideal für „jene Besucher mit knappem Zeitbudget und großem Interesse an Franz Joseph und Elisabeth“.
Willkommen in Schönbrunn. Genauer gesagt: im Schloss Schönbrunn. Einer Topsehenswürdigkeit Österreichs und schon seit Jahren führend in der Hitliste der meistbesuchten Touristenattraktionen Wiens. Nach einem erfolgreichen Jahr 2015 entwickelte sich auch das erste Halbjahr 2016 äußerst rosig, betonte kürzlich Franz Sattlecker, Geschäftsführer der SKB (Schloss Schönbrunn Kultur- und Betriebsgesellschaft): Allein ins Schloss strömten im Vorjahr 3,6 Millionen Gäste (2,36 Millionen ohne Mehrfacheintritte). Je nach Zählart ergab das einen Zuwachs von acht beziehungsweise sieben Prozent. Heuer besuchten bis Ende Juni bereits 1,52 Millionen Gäste das rot-weiß-rote Tourismusflaggschiff. Der alte Kaiser zieht also immer noch die Massen an.
Mit dem Ticket in der Hand geht es im Slalom zwischen ausgefahrenen Selfiestangen in Richtung Schlosseingang. Drei Anfragen asiatischer Kleingruppen, ob man denn ein Foto von ihnen vor der Schlossfassade machen könne, werden bejaht. „Thank you“und winke-winke. Im Schlossbereich taucht plötzlich Mozart auf. Als Pappfigur. Gut, der sechsjährige Wolferl hat hier weiland mit seinem Klavierspiel Kaiserin Maria Theresia und den Hofstaat entzückt, aber will er jetzt Franz Joseph und Sisi die Show stehlen? Nein, es handelte sich bloß um eine Werbung für ein Marionettentheater.
Bei der Ausgabe der Audioguides hört es sich gebetsmühlenartig an: „Chinese, Chinese, Chinese, Chinese . . .“Einer aus der Reihe – auch er scheint asiatischer Abstimmung zu sein – wünscht sich einen englischsprachigen Audioguide und erntet einen gemurmelten Kommentar, der auch vom Herrn Karl stammen könnte: „A Chinese, der Englisch wü, do schau her, kamma a nix moch’n!“
Alles ist perfekt organisiert, die Touristen aus vielen Staaten der Welt werden sehr professionell durch die Schlossräume geschleust. Die Imperial-Tour ist nur eine von vielen Angeboten, man kann auch eine Grand-Tour, den Classic-Pass, einen Gold-Pass, das Sisi-Ticket und einen Family-Pass buchen. Die Preise sind stattlich, aber international gesehen angemessen, und bescherten der SKB 2015 insgesamt einen schönen Jahresumsatz in der Höhe von 52,2 Millionen Euro. Davon fließt einiges auch in Renovierungen, heuer etwa startet eine umfassende Sanierung der 1775 errichteten Gloriette.
Der Besucheransturm in Schönbrunn kratze schon jetzt bisweilen „ordentlich an der Kapazitätsgrenze“, wie Franz Sattlecker ausführt. Wenn sich der Tourismus weiter so entwickle, werde man künftig wochenlang im Voraus Tickets buchen müssen. Zurück zur Imperial-Tour. Das Billardzimmer befindet sich am Anfang einer längeren Raumfolge von Audienz- und Privaträumen von Franz Joseph I., via Audioguide ist die Originalstimme des Kaisers zu hören: „Es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut.“Kinderzimmer, Arbeitszimmer, Spiegelsaal, Porzellanzimmer, selbst das kaiserliche Klo gilt es zu bewundern. Mitglieder einer steirischen Schülergruppe kichern, das verbindet sie mit Gästen aus Brasilien.
Der Audioguide informiert über bis zu 13-gängige Menüs, die einst aufgefahren wurden. Im Badezimmer, das noch von Zita Bourbon-Parma, der letzten Kaiserin Österreichs, benutzt worden war, machen einige Japaner heimlich Handyfotos (das Fotografieren im Schloss ist generell untersagt). Nach dem Rundgang warten großflächige Souvenirshops, wo alles nur Erdenkliche in Sachen imperialer Nostalgie käuflich zu erwerben ist: SisiSchneekugeln, kandierte Veilchen, Kartenspiele, Taschentücher, Kochbücher, Broschen und noch vieles mehr.
Viele Touristen kommen mit einer Art Besichtigungsstress und verlassen das Gelände dann aber doch verzückt. Letzte Selfies und Gruppenfotos, ehe der Bus seinen Motor startet. Morgen ist man vielleicht schon in Paris. Denkt aber immer noch an Sisi und Franzl.