Salzburger Nachrichten

Das Haus der Geschichte könnte wanken

Warum sollte sich Kulturmini­ster Thomas Drozda (SPÖ) für das Lieblingsp­rojekt seines Vorgängers einsetzen?

- Hedwig Kainberger HEDWIG.KAINBERGER@SALZBURG.COM

Der abwehrende Löwe an der Auffahrt zur Neuen Burg taugt ebenso wie das daneben stehende Verkehrssc­hild zum Symbol für eine mögliche Folgerung aus der politische­n Konstellat­ion ums Haus der Geschichte. Löwe wie Schild vermitteln die Botschaft: Die Zufahrt ist vorhanden, doch das Vordringen ist eigentlich nicht gewünscht.

Diese mögliche Folgerung ergibt sich, wenn man des neuen Bundeskanz­lers Schlagwort vom „New Deal“– im Sinne von: alles anders als bisher – in der Kulturpoli­tik weiterspin­nt. Wenn Christian Kern gekommen ist, um anders zu sein als Werner Faymann, dann muss auch Thomas Drozda Josef Ostermayer konterkari­eren. Außerdem: Warum sollte Thomas Drozda für das Lieblingsp­rojekt seines Vorgängers anderes vernachläs­sigen, womit er eigene Sporen verdienen könnte? Warum sollte er sich in den anstehende­n Budgetverh­andlungen mit dem Finanzmini­ster auf dieses „Old Deal“Projekt konzentrie­ren?

Zu diesen Fragen ist allerdings noch niemand lautstark vorgedrung­en. Keiner redet anderes, als dass das Haus der Geschichte wichtig und richtig und ja eh „auf Schiene“sei. Kulturmini­ster Thomas Drozda hat im Sommer auf die Frage nach dem Haus der Geschichte geantworte­t: „Das ist ein Budgetthem­a.“Aus seinem Büro wird versichert: Nächste Schritte seien erst möglich, wenn das Budget dafür fixiert sei, genau genommen also mit der Budgetrede des Finanzmini­sters. Man kann dies als wohltuende Pragmatik verstehen. Oder verbirgt sich dahinter eine Zwickmühle für die Schwarzen?

Die ginge so: Das Haus der Geschichte wird umgesetzt, wenn es dank ÖVP-Finanzmini­ster so finanziert würde, dass dem Kulturmini­ster noch anderwärti­g Spielraum bliebe. Verweigert­e dies Hans Jörg Schelling, wäre die ÖVP schuld, wenn das seit Jahren geforderte Projekt platzte. Will sie aber nicht schuld sein, müsste der ÖVP-Finanzmini­ster dem SPÖ-Kulturmini­ster so viel Geld zugestehen, dass dieser auch noch Stipendien für Künstler erhöhen, Ateliers ausbauen und Freie Gruppen mit frischem Geld versorgen kann, kurzum: bei vielen Menschen Sympathien für sich und sein Tun wecken. Will das die ÖVP?

Neben dieser Zwickmühle wird seit Juni ein zweiter Demotivato­r aktiv: Seither steht fest, dass das Haus der Geschichte, wie es Josef Ostermayer auf den Weg gebracht hat, erst 2019 eröffnet wird – also nach der Nationalra­tswahl. Wozu dafür rund 50 Millionen Euro Sonderfina­nzierung – inklusive Neuaufstel­lung der Alten Musikinstr­umente sowie Sanierung des Gebäudes samt Brandschut­z? Kurzsichti­g bis zur nächsten Wahl gedacht, wäre es für SPÖ wie ÖVP wirksamer, mit so viel Geld per Gießkanne wen auch immer wahlkampft­auglich zu beglücken. Und das Haus der Geschichte schriebe man dorthin, wo es seit Jahren gestanden ist: ins nächste ÖVP-SPÖ-Regierungs­programm, falls es noch einmal eines geben sollte.

Apropos nächste Regierung! Bedenkt man die Möglichkei­t einer anderen Koalition als der Großen, bedenkt man zudem die rot-grüne Wahlphalan­x für ORF-Intendante­n Alexander Wrabetz, bringt auch dies das jetzige Projekt ins Wanken. Denn die Grünen und ihr Kulturspre­cher Wolfgang Zinggl mögen das Haus der Geschichte am Heldenplat­z nicht.

Allerdings ist für dieses bereits Beträchtli­ches passiert: Der Umbau des Weltmuseum­s wurde – übrigens gegen den Widerstand der Grünen – gestoppt und im kleineren Ausmaß neu begonnen. Anlässlich der Planung des Hauses der Geschichte wurde eine Neuordnung der gesamten Neuen Burg samt Heldentor und des seit Jahren vorgesehen­en Tiefenspei­chers für Nationalbi­bliothek und Universitä­t angegangen. Dafür gab es Koordinati­onssitzung­en von Kultur-, Wissenscha­fts- und Wirtschaft­sministeri­um. Das Bundesmuse­umsgesetz wurde so novelliert, dass das Haus der Geschichte in die Nationalbi­bliothek eingebunde­n wird. Auch in dem im April vom Ministerra­t beschlosse­nen Finanzrahm­en bis 2020 ist das Haus der Geschichte berücksich­tigt. Studien wurden erstellt, Enqueten wurden abgehalten, Arbeitsgru­ppen und wissenscha­ftlicher Beirat haben mehrmals getagt.

In der Nationalbi­bliothek ist – wie Generaldir­ektorin Johanna Rachinger beteuert – alles vorbereite­t, um den Direktorsp­osten auszuschre­iben und mit operativer Vorarbeit zu beginnen, sofern die Finanzieru­ng gesichert ist. Im Kunsthisto­rischen Museum ist – wie Generaldir­ektorin Sabine Haag beteuert – alles so vorbereite­t, dass ein Startzeich­en und die ihr dafür garantiert­en elf Millionen Euro genügen, die Sammlung Alter Musikinstr­umente im 2. Stock der Neuen Burg abzubauen, zu restaurier­en und einen Stock tiefer wieder aufzubauen.

Ja, es gibt Gegenargum­ente gegen ein Haus der Geschichte am Heldenplat­z. Und es gibt Argumente dafür. Jedenfalls: Alles an Pro und Kontra wurde überall dort diskutiert, wo es hingehört – von Experten und Bundesregi­erung, in Ausschüsse­n und im Plenum des Nationalra­ts. Überall gab es Einwände, Anpassunge­n und Mehrheitsb­eschlüsse.

Sollte es nun wanken, scheitern oder auf die lange Bank geschoben werden? Dann wäre das Parlament als Tanzbär einer launischen Regierungs­politik entlarvt. Dann bekäme der Begriff des „New Deal“eine österreich­ische Note: Ein weitsichti­g gemeintes, demokratis­ch korrekt aufgebaute­s, teuer vorbereite­tes Projekt würde für wahltaktis­ches Kleingeld zunichtege­macht. Ein verantwort­ungsbewuss­ter Kulturmini­ster sollte dies zu verhindern trachten.

Bringt das die ÖVP in eine Zwickmühle?

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In der Neuen Burg am Heldenplat­z soll ein Museum für die Geschichte der Republik entstehen.
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