Querschüsse vor Kerns Besuch bei Merkel
Österreichs Verhältnis zum großen Nachbarn im Norden bleibt im heurigen Jahr in der Flüchtlingsfrage schwierig.
WIEN. Ob Kanzler Christian Kern das Mittagessen mit seiner deutschen Amtskollegin Angela Merkel heute, Samstag, auf Schloss Meseberg bei Berlin angesichts der jüngsten Angriffe seines Parteikollegen Hans Peter Doskozil auf Merkel schmecken wird, ist noch offen. Abgesprochen dürfte die Breitseite gegen Merkel, die Kerns Minister einen Tag vor dem Treffen abgeschossen hat, jedenfalls nicht gewesen sein. Die „Wir schaffen das“Politik Merkels sei unverantwortlich, sagte Doskozil. Merkels Aussage habe dazu geführt, dass „ein neuer Anziehungsfaktor für Fluchtbewegungen nach Europa entsteht“.
Der CDU-Europapolitiker Elmar Brok erklärte am Freitag im ORF, die Bemerkungen, die aus Österreich kämen, seien „nicht hilfreich“. Es gebe keine Alternative zu Merkels Politik. Merkel habe den TürkeiDeal durchgesetzt, weshalb weniger Flüchtlinge nach Europa kämen. „Das möge man auch in Österreich zur Kenntnis nehmen!“Die „Bild“Zeitung fasste es knapper: „Ösis stänkern gegen Merkel“.
Ein Sprecher des Kanzlers wollte den Doskozil-Sager nicht kommentieren. Thema bei Kerns Treffen mit Merkel seien die Zukunft Europas und die Vorbereitung für den Brexit-Gipfel am 16. September. Flüchtlinge würden nur am Rande besprochen . Beim letzten Treffen Ende Juni haben Kern und Merkel demonstrativ die Gemeinsamkeiten in der Flüchtlingsfrage hervorhoben.
Das Verhältnis zwischen Österreich und Deutschland war nach der Entscheidung Merkels und des damaligen Kanzlers Faymann vor einem Jahr, die Grenzen für die aus Ungarn kommenden Flüchtlinge aufzumachen, abgekühlt.
Asylobergrenzen, eine „Balkankonferenz“in Wien ohne deutsche Beteiligung und Vorschläge österreichischer Minister, Flüchtlinge in afrikanische Asylzentren zurückzuschicken, hatten für Kritik in Deutschland gesorgt. Der damalige Bundeskanzler Faymann hatte im März nach dem Schwenk in der Flüchtlingspolitik von einem „politisch sehr gespannten“Verhältnis zu Merkel gesprochen.
Außenpolitikexperten zufolge ist das Verhältnis zu Deutschland, wenn man es um politische PR-Aussagen bereinigt, nie ganz so gut gewesen, wie es damals geheißen hat. Es sei aber auch nie ganz so schlecht gewesen, wie es dann im heurigen Frühjahr geheißen habe.
Die nunmehrige Kritik Doskozils, der ja erst aufgrund seines humanen Handlings der Grenzöffnung als Polizeichef politische Karriere machte, kommt etwas spät und könnte der SPÖ-Doppelstrategie geschuldet sein, auch potenzielle Strache-Wähler anzusprechen.
Das Verhältnis zwischen Österreich und Ungarn ist in der Flüchtlingsfrage zwar nicht mehr ganz so schlecht wie nach dem indirekten Holocaust-Vergleich Faymanns im Herbst. Kern hatte Ende Juli auch einen eher ergebnisarmen Besuch bei Premier Viktor Orbán angetreten. Am Freitag hat Orbán der Rücknahme von Flüchtlingen aus Österreich erneut – auch für den Fall der Einführung der Notverordnung – eine Absage erteilt: „Von Abschiebung nach Ungarn kann keine Rede sein, da niemand nach Ungarn kommen kann – Nicht einmal ein Vogel kann heute ohne Kontrolle auf ungarisches Territorium fliegen.“
Deutscher Boulevard titelt: „Ösis stänkern gegen Merkel.“