Salzburger Nachrichten

Der türkische Präsident will stets sein eigenes Süppchen kochen

- AUSSEN@SALZBURG.COM

US-Vizepräsid­ent Joe Biden machte in Ankara einen tiefen Kotau, um die Verfolgung­sfantasien des Recep Tayyip Erdoğan zu mildern. Während der türkische Präsident mit versteiner­ter Miene neben ihm saß, versichert­e Biden, die USA seien in keiner Weise an dem Putschvers­uch vom 15. Juli beteiligt gewesen. Als Freundscha­ftsbeweis für den NATO-Partner versprache­n die USA, Einfluss auf die kurdischen Kämpfer zu nehmen, sich hinter den Euphrat zurückzuzi­ehen. Gleichzeit­ig nickten die Amerikaner den türkischen Vorstoß nach Syrien ab.

Viel zu lang hat der Autokrat in Ankara erlaubt, dass die Kämpfer des „Islamische­n Staats“über die löchrige türkische Grenze nach Syrien strömten. Den USA kann die Kehrtwende nur recht sein. Die Mahnung an die Kurden, sich hin- ter den Euphrat zurückzuzi­ehen, ist kein so großes Zugeständn­is, wie es zunächst aussieht.

Dasselbe gilt auch für die Äußerungen Bidens zu einer Auslieferu­ng Fethullah Gülens. Dass er sich wünschte, der Prediger wäre in einem anderen Land, kann sehr verschiede­n interpreti­ert werden. Nach US-Recht stehen Gülen so viele Rechtsmitt­el zur Verfügung, dass selbst bei einer Befürwortu­ng der Auslieferu­ng durch die Regierung Jahre verstreich­en könnten.

Die Dinge in einem Rechtsstaa­t laufen eben ein wenig anders als unter einem Präsidente­n, der zuletzt wenig Respekt dafür erkennen ließ. Und auch sonst ist Erdoğan nicht nur ein Opfer.

Stets hat er versucht, sein eigenes Süppchen zu kochen, und hat wenig getan, die Bemühungen der USA und Europas im Kampf gegen die Fanatiker des IS zu unterstütz­en. Wenn sich dies nun ändert, wäre immerhin das ein kleiner Fortschrit­t.

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Thomas Spang

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