Die wahre Konstante heißt Veränderung
Abwechslung ist das halbe Leben: Das zeigt der New Yorker Jazzheld Jim Black in Saalfelden mit der ältesten und der jüngsten seiner Bands.
Der Titel eines seiner jüngsten Alben täuscht: Es heißt „The Constant“. Doch immer nur bei einer Sache zu bleiben zählt nicht zu Jim Blacks Lieblingsbeschäftigungen. Selbst als Stammgast in Saalfelden reist der USSchlagzeuger jedes Mal wieder mit einer neuen Band-Idee an. „Ich muss immer in Bewegung bleiben“, sagt der rastlose Rhythmusvirtuose. Beim Saalfeldner Jazzfestival lässt er diese Lebensphilosophie mit zwei Quartetten hören: seiner dienstältesten Band Human Feel (Sonntag, Hauptbühne) und seiner jüngsten, dem Malamute Quartet mit dem jungen Salzburger Pianisten Elias Stemeseder (Samstag, Short Cuts). Warum er in vielen von Blacks Projekten eine Konstante ist und was die neuen Songs mit Internetphänomenen zu tun haben, erzählt Black im Interview. SN: Für Ihr jüngstes Quartett haben Sie lauter kurze Stücke geschrieben. Ist das eine Reaktion auf unsere beschränkte Aufmerksamkeit in der Ära von YouTube und Spotify? Jim Black: Auf eine gewisse Weise ja. Der Sound dieser Band ändert sich alle drei, vier Minuten komplett. Und auch im Netz nehmen sich die Leute ja heute nicht länger Zeit, um sich auf eine Sache zu konzentrieren. In dem Projekt klingt aber auch die Ästhetik der Playlists durch, die es nicht erst seit dem Internet gibt. Auf Mixkassetten haben sich Musikfans immer verschiedenste Songs nach Belieben aneinandergereiht. Wir konzentrieren uns auf unseren eigenen Sound, unsere Melodien, experimentieren aber auch damit, wie wir rasch wechselnde Klangtexturen verbinden können. SN: Für die Saalfelden-Hörer ergibt das Überraschungen? Für mich auch! Ich finde es wichtig, immer in Bewegung zu bleiben, auch wenn wir spielen, gibt es da viel Raum für neue Ideen. SN: Sie verfolgen eine Vielzahl an Projekten. Wann wissen Sie, dass es wieder Zeit ist für etwas Neues? Manchmal sind die Musiker ausschlaggebend dafür, manchmal ist es eine stilistische Spielwiese, die ich noch nicht probiert habe. Ausgangspunkt für Malamute war der Wunsch, wieder etwas mit Saxofonist Óskar Guðjónsson zu machen, der für mich eine Art moderner Stan Getz ist. Es gibt so viele Möglichkeiten, jedes neue Projekt hilft einem, als Musiker zu wachsen. Je öfter man sich auf Facebook einklinkt und die Nachrichten über alle Dinge liest, die auf der Welt schiefgehen, desto wichtiger ist die Musik als Gegenentwurf für mich. SN: Als Schlagzeuger sind Sie ständig unterwegs. Haben Terrorangst und Sicherheitskontrollen Ihren Lebensrhythmus in jüngster Zeit verändert? Nein. Natürlich versucht man, aufmerksam zu sein. Aber ich werde trotzdem am 11. September ins Flugzeug nach New York steigen. Im Auto zu sitzen ist statistisch gefähr- licher. Freilich ist man auf Reisen mit vielem konfrontiert: Bei einer Tour durch den Mittleren Osten durften wir nicht in Pakistan spielen. Ich habe Aleppo gesehen, bevor es komplett zerstört wurde. Aber das Sinnvollste, was ich als Musiker tun kann, ist, Musik zu teilen, möglichst gute Energie zu verbreiten. SN: Das Projekt Human Feel gibt es seit Ihrer Studienzeit. Wie hat es sich in 25 Jahren verändert? Es gibt Dinge, die kann man erst so richtig zu schätzen lernen, wenn man älter wird: Dazu gehört auch zu sehen, wie sich die Musiker und der Sound einer Band konstant verändern und entwickeln. Und diese Band bringt spezielle Seiten in jedem von uns heraus. Man kann es zum Beispiel beobachten, wenn jüngere Fans, die Gitarrist Kurt Rosenwinkel vor allem mit seinem Trio kennen, staunen, was er alles mit uns aufführt! SN: Zwischen Saalfelden und New York arbeiten Sie mit dem Salzburger Elias Stemeseder zusammen. Was schätzen Sie an seinem Spiel? Wir haben eine ähnliche Art, Rhythmus zu fühlen, eine musikalische Verwandtschaft, wie ich sie auch mit (Saxofonist) Chris Speed habe. Elias ist ungemein inspiriert und neugierig, er bringt eine Energie ins Spiel, die mir ständig neue Impulse gibt. SN: Haben Sie bei Ihren Österreich-Touren musikalisch Neues mitgenommen? Sicher! Elias hat mir etwa den Sound der Blasmusikkapellen vorgespielt. Einmal geriet ich sogar in ein Volksmusiktreffen. Als wir nach dem Freejazz-Konzert ins Hotel kamen, haben da bis vier Uhr früh Musikanten gespielt. Das war einer der Momente, in denen man wieder daran erinnert wird, dass es in jeder Musik um Herz und Seele geht und dass man diese Liebe zum Musizieren nie verlieren sollte.