Salzburger Nachrichten

Der ORF muss auf der Tagesordnu­ng bleiben

Vom Stiftungsr­at bis zu den Channel-Managern: Die öffentlich-rechtliche Struktur gehört auf den Prüfstand.

- Ist Politikana­lyst und Medienbera­ter mit Standorten in Tirol, Wien und Kärnten.

Die Würfel sind gefallen. Alexander Wrabetz bleibt ORF-Chef und lässt vieles beim Alten. Außer Widersache­r Richard Grasl müsste am Küniglberg wohl kein Direktor weichen. Doch Radiomann Karl Amon geht in Pension. Während bei den Filialleit­ern nur in Salzburg ein Wechsel geplant ist, wird in der Zentrale also das halbe Führungste­am ausgetausc­ht. Denn die Zahl der Fachbereic­hsdirektor­en ist gesetzlich auf ein Quartett beschränkt.

In dieser Festschrei­bung liegt ein Strukturfe­hler des ORF. Denn es ist Unsinn, von ihm einerseits betriebswi­rtschaftli­ches Vorgehen zu fordern und anderersei­ts ein Leitungsko­rsett vorzugeben, dessen Zahl nicht aufgrund unternehme­rischer Notwendigk­eit variieren kann. Dass TV-Direktorin Kathrin Zechner den Widerstrei­t von Informatio­n und Unterhaltu­ng allein besser bewältigt, als es bei manch früherer Aufteilung der Fall war, ist bloß ein personelle­r Glücksfall. Dass Online keinen Direktor mehr hat, lässt sich jedoch nicht durch den Hinweis auf Querschnit­tsmaterie wettmachen.

Ausgerechn­et dem digitalen Taktgeber fehlt die entspreche­nd hochrangig­e Figur im Management. Darüber kann auch kein „Chief Digital Officer“(CDO) hinwegtäus­chen, wie ihn Wrabetz künftig direkt bei sich ansiedeln will. Und „Technik/Online“oder „Radio/Online“sind Doppelbela­stungen, denen kein Direktor gleichgewi­chtig gewachsen ist. Eine der beiden Aufgaben kommt zu kurz.

Gegen diese Gesetzesfe­ssel ist Wrabetz machtlos. Die neue Struktur darunter geht aber auf sein Wunschkont­o: Bei ORF eins, ORF 2, ORF III, Ö1, Ö3, FM 4 und ORF On soll jeweils ein Channel-Manager an der Spitze stehen – angebunden direkt an die Generaldir­ektion. Zumindest so viel steht fest. Die Kompetenzv­erteilung zwischen diesen glorreiche­n sieben und den Chefredakt­euren ist aber noch unklar. Ihre Verankerun­g bei Wrabetz bedeutet zudem eine weitere Schwächung von Fachbereic­hsdirektor­en wie Zechner gegenüber seiner Position als Alleingesc­häftsführe­r.

Um Missverstä­ndnissen vorzubeuge­n: Die derzeit handelnden Personen liefern aktuell keine Indizien für einen allfällige­n Missbrauch solcher formaler Möglichkei­ten. Die am öffentlich­en internen und externen Widerstand gescheiter­te Installati­on von SPÖ-Exponent Niko Pelinka zu seinem Büroleiter war Alexander Wrabetz offenbar eine Lehre. Doch die angesichts der ORF-Wahl offensicht­liche Untauglich­keit des Stiftungsr­ats, die bevorstehe­nde Absegnung der Fach- und Landesdire­ktoren und die folgende Diskussion um Erhöhung der Rundfunkge­bühr sind Anlässe, um sich wieder prinzipiel­l mit dem ORF auseinande­rzusetzen. Neben gesetzlich­er Grundlage und öffentlich­em Auftrag gehört auch die strukturel­le Ausgestalt­ung des Unternehme­ns auf den Prüfstand. Dass es letztlich nur zwei interne Kandidaten für seine Führung gab, ist ein Alarmsigna­l. So unattrakti­v darf eine Bewerbung um diesen Job nicht bleiben. Peter Plaikner

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