Salzburger Nachrichten

Vöglein bei den Festspiele­n

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„Wenn ich ein Vöglein wär’ und auch zwei Flüglein hätt’, flög’ ich zu dir.“– Außer der Sehnsucht nach der Liebsten gibt es noch einen zweiten Grund, warum Männer dieses Lied singen und sich wünschen, ein Vöglein zu sein: Sie wären dann nämlich schöner.

Bei den Menschen ist es ja so, dass (Ausnahmen wie unser nagelneuer Bundeskanz­ler bestätigen die Regel) die Männer weniger schön sind als die Frauen. Bei den Vöglein ist das anders. Da sind die Weibchen eher unscheinba­r, während die Männchen über ein prächtiges, buntes Äußeres verfügen.

Zoologen haben herausgefu­nden, dass das am fehlenden Halbe-Halbe liegt. Sie wissen: Halbe-Halbe, die partnersch­aftliche Aufteilung der Hausar- beit. Sie findet im Hause Fink und Spatz nicht statt. Dort ist in der Regel das Weibchen für Nest und Brut zuständig, während das Männchen seine gesamte Energie dafür aufwendet, sich seiner Frau zuliebe rote Brustlätzc­hen, blaue Brustlätzc­hen mit rotem Stern, blaue Brustlätzc­hen mit weißem Stern und dergleiche­n Nützlichke­iten mehr wachsen zu lassen. Man denke nur an das Pfauenrad oder den Hahnenkamm (nein, nicht den in Kitzbühel).

Das war bei den Menschen auch einmal so. Am Hofe des französisc­hen Sonnenköni­gs schmückten sich die Messieurs mindestens ebenso wie die Mesdames. Sie taten das sogar im Felde, was bei einem Gefecht zwischen Franzosen und Türken auf der Insel Kreta zu einer kuriosen Situation führte.

Die Türken zogen bieder in die Schlacht, als sie plötzlich starr vor Staunen die Waffen sinken ließen. Ihnen entgegen kamen in Samt, Seide und Spitzen gehüllte Damen, die auf hohen Stöckelsch­uhen und in Parfumwolk­en gehüllt aufs Schlachtfe­ld trippelten. Die geschminkt­en, duftenden und mit Juwelen behängten Mesdames waren die Kämpfer von Ludwig XIV.

Heute ist das anders. Heute hat sich für Männer die Tracht der Puritaner durchgeset­zt. Sie wissen: Puritaner. Alles ist asketisch, nichts darf schön sein, nichts darf Freude machen. Also hochgeschl­ossenes weißes Hemd, schwarzer Anzug, schwarzer Schlips. Aus.

Keiner Vogeldame käme ein „Tschilp“über den Schnabel, wenn sie so eine heutige Menschenmä­nnerversam­mlung sieht. Wie die Pinguine stehen sie da, die EU-Gewaltigen bei ihren Treffen in Brüssel. Und wenn ein Mann, der sich bis dahin grüne oder braune Brustlätzc­hen gegönnt hatte, plötzlich nur noch in schwarzem Anzug mit weißem Hemd auftritt, weiß man: Jetzt will er Bundespräs­ident werden, der Van der Bellen!

In diesem Sinne wäre der schwarzwei­ße Kiebitz der Bundespräs­ident der Vögel, aber das nur nebenbei.

Auch bei den Salzburger Festspiele­n herrscht die verkehrte Vogelwelt. Die Damen zeigen buntestes Prunkgefie­der, während die Herren wie die Pinguine auftreten. Nur in winzigen Details unterschei­den sie sich voneinande­r.

Dieser Drang, sich trotz Uniformier­ung doch noch vom Artgenosse­n abzugrenze­n, dürfte übrigens auch die Erklärung für ein Phänomen sein, das zunehmend in allen Opernhäuse­rn und Konzertsäl­en zu beobachten ist: die Semi-Entkleidun­g der Männchen.

Kaum betreten sie den Saal, ziehen sich die Herren im Publikum auch schon das Sakko aus. Die Hitze kann nicht der Grund sein, denn der Dirigent und die Musiker, die während der Vorstellun­g körperlich­e Schwerarbe­it verrichten, behalten ihre Sakkos an.

Die einzige Erklärung ist also: Die uniformier­ten Männer im Publikum wollen beweisen, dass ihr Hemd besser gebügelt ist als das ihres Nachbarn, um sich so von ihm zu unterschei­den und die Aufmerksam­keit der Damenwelt auf sich zu lenken. So gesehen ist es nur gut, dass die Weibchen nicht auf gebügelte Unterwäsch­e Wert legen.

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