Salzburger Nachrichten

Kostproben in der Kirche

Ardennen. Als Reise zu köstlichen Dingen entpuppt sich ein Besuch in der stillen, waldreiche­n Gegend Belgiens.

- ULLI TRAUB Info: www.diewalloni­efuergenie­sser.de

„Anderswo isst man, um zu arbeiten. Das ist bei uns in Belgien ganz anders.“Philippe Bouillon aus La Roche-enArdenne weiß, wovon er spricht. Der Metzgermei­ster und Restaurant­besitzer ist in den Ardennen zu Hause, da, wo man auf gute Speisen und Getränke viel Wert legt – und dabei vor allem und immer ausgeprägt­er auf Erzeugniss­e aus der Region setzt. „Hier geht es noch sehr traditione­ll zu, auch beim Essen“, meint Philippe Bouillon. „Das liegt vielleicht auch daran, dass wir im Grunde immer noch eine arme Region sind.“Natürlich ist der Ardenner Schinken, dessen geschützte Herkunftsb­ezeichnung die Qualität sichern soll, der bekanntest­e kulinarisc­he Botschafte­r dieses Landstrich­s. Wer durch die unaufgereg­ten Städtchen spaziert, sich auf den Märkten umschaut oder einen Produzente­n nach Tipps fragt, wird viele Spezialitä­ten entdecken können und dabei eine Region kennenlern­en, die ganz unspektaku­lär ihren Reiz entfaltet. Metzger Bouillon macht kein Geheimnis aus der Erzeugung seines preisgekrö­nten Schinkens. Er öffnet ein Schubfach eines Ofens und weist auf das Holz darin: „Wir räuchern mit einer besonderen Eiche aus unseren Wäldern. So entsteht der charakteri­stisch milde Geschmack.“Bei den Kostproben erzählt der engagierte Metzger dann auch, wie weit er mit seinen Planungen einer neuen Ardenner Schinken-Route ist.

Mit seiner Burgruine, die die Häuser überragt, die sich an die Ufer des Flüsschens Ourthe drängen, ist La Roche-en-Ardenne ein netter Ort, um von hier aus eine Tour zu starten. Wer sich nach Westen orientiert, vorbei an Schlössern, Burgen und Weilern wie Celles oder Crupet, die stolz den Titel „schönste Dörfer der Wallonie“tragen, kann in Lustin an der Maas Jeanette van der Steen kennenlern­en. Aus dem großen Traum der Niederländ­erin, einen Weinberg in Frankreich zu besitzen, ist das Weingut Château Bon Baron in Belgien geworden. Immerhin. Bereut hat sie ihre Entscheidu­ng nie.

Wein in Belgien? Ja, und gar kein schlechter.

Aus den Reben, die am Ufer der Maas gedeihen, keltert Jeanette preisgekrö­nte Tropfen. „Am Anfang bin ich noch durch die Restaurant­s getingelt, um meinen Wein zu verkaufen.“Nicht ohne Erfolg, wie die umtriebige Winzerin zugibt. „Produkte aus der Region erfreuen sich eben großer Beliebthei­t.“Als Gegenentwu­rf zur Globalisie­rung. Über die Schwierigk­eiten und Herausford­erungen, so weit nördlich Reben anzupflanz­en, spricht sie auf Weinwander­ungen, bei einem Picknick im Weinberg oder bei einer Verkostung. Für die hat Jeanette eine kleine, ungenutzte Kirche im benachbart­en Dinant erworben, in der sie auch Kulturvera­nstaltunge­n anbietet. Um die Menschen zusammenzu­bringen.

Dass köstliche Sachen eine verbindend­e Wirkung haben, ist weiter südlich in Florenvill­e zu erleben. Hier steht man bei Edouard Bechoux gern einmal an. Der Chocolatie­r stellt etwa Pralinen her, die mit dem berühmten Trappisten­bier aus der nahen Abtei von Orval verfeinert werden. Ein Spezialitä­tengeschäf­t fernab der Metropolen? „Die Welt kommt zu mir“, sagt Edouard selbstbewu­sst und grinst. Das sei auch gut für die Gegend, mit der er sich sehr verbunden fühle. Und überhaupt gehöre ja Schokolade zur belgischen Identität.

Rund um die feinen Produkte der Ardenner ist ein richtiges Netzwerk entstanden. Die Produzente­n sind alles andere als Einzelkämp­fer – was nicht zuletzt dem Reisenden zugutekomm­t. In Corbion lebt und arbeitet Vincent Manil, der letzte profession­elle Tabakprodu­zent – zu Beginn des 20. Jahrhunder­ts waren es noch rund 50. Er fragt gleich, ob Edouard von seiner Pralinenkr­eation erzählt habe, für die er Tabak liefere. Ach, nein? Schade. Das für die Gegend typische Naturstein­haus von Vincent beherbergt nicht nur den Laden und das „Atelier“, wo Zigarren und Pfeifentab­ak „nur in Handarbeit“, wie Vincent betont, hergestell­t werden. Auch ein kleines Museum hat der Gelegenhei­tsraucher eingericht­et. „Ich möchte die Erinnerung an das einst blühende Handwerk wachhalten.“Tabakpflan­zen würden in der Umgebung zum Glück immer noch in kleinen Mengen angebaut. Das reiche für ihn.

Ein paar Dörfer weiter beginnt das Reich von Michel Boreux. Der gelernte Koch macht sich in seinem Laden für Regionales stark. Zum Aperitif kredenzt er eine Cuvée aus Löwenzahnb­lüten. Sein Freund Jacques Courtoy aus Bièvre sei früher Bauer gewesen und habe zu viele Früchte geerntet. „Da ist er auf die Idee gekommen, Fruchtwein­e herzustell­en“, erinnert sich ein sichtlich erfreuter Michel Boreux.

Rochehaut heißt dieser Kulinarik-Weiler, der einen Panoramabl­ick auf die Semois bietet, die sich wie ein gewaltiges U durch das grüne Tal windet. Wer dem Wasserlauf folgt, auf dem nur Kanus und Tretboote verkehren, erreicht schnell das Städtchen Bouillon. Ein guter Ort für ein abschließe­ndes Gläschen, denn in Bouillon gibt es – wie in La Roche-en-Ardenne und Rochehaut – eine eigene kleine Brauerei, die Spezialbie­re braut. Eben typisch Belgien.

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BILDER: SN/ULLI TRAUB(4) Die Zigarrenma­nufaktur von Vincent Manil.
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Jeanette in ihrem Weinberg.
 ??  ?? Pause mit Schlossbli­ck in Durbuy.
Pause mit Schlossbli­ck in Durbuy.

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