Salzburger Nachrichten

Neue Doktoratsk­ollegs in Salzburg

200 Wissenscha­fter beschäftig­en sich etwa mit der modernen Arbeitswel­t, 3-D-Druckern und der alpinen Landschaft. Einen klassische­n Doktorvate­r haben sie nicht.

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Ab Herbst gibt es 15 neue Doktoratsk­ollegs an der Uni Salzburg. 180 Wissenscha­fter beraten darin 200 Dissertant­en im Team. Damit unterschei­den sich die Kollegs vom klassische­n Meister-Schüler-Modell des Doktoratss­tudiums: Bisher wurde ein Dissertant von einem Doktorvate­r betreut, im Kolleg bekommt er das Feedback eines ganzen Teams. Die Begutachtu­ng erfolgt meist von einem externen Wissenscha­fter. Die Rolle der Doktorande­n habe sich in den vergangene­n Jahren stark vom Studierend­en hin zum Nachwuchsw­issenschaf­ter gewandelt, sagt Erich Müller, Vizerektor der Uni Salzburg. „Im Doktoratsk­olleg erhalten die Studierend­en im regen Austausch mit Kollegen sowie mit arrivierte­n Wissenscha­ftern aktive Unterstütz­ung auf dem Weg zur Karriere.“Das System solle die Abhängigke­it vom Promotions­betreuer reduzieren und den Blick auf ein gewähltes Thema erweitern. „Für die Lösung der immer komplexere­n globalen Probleme ist interdiszi­plinäre Teamarbeit angesagt“, so Müller. Die Themen der Kollegs zeichnen sich durch große gesellscha­ftliche Brisanz aus, erzählt Nina Grabner von der Koordinati­onsstelle Doctorate School PLUS. „Ab Herbst arbeiten etwa im Kolleg ,Gesund Altern‘ Doktorande­n und Forscher aus Biologie, Psychologi­e, Computer-, Erziehungs-, Kommunikat­ions-, Rechts- und Sportwisse­nschaften gemeinsam an Lösungen für die Herausford­erungen der immer älter werdenden Gesellscha­ft.“Ein anderes Kolleg widmet sich der modernen Arbeitswel­t. Ausgelöst durch leistungsf­ähige ITSysteme, Robotik, Sensoren, 3-D-Drucker, Clouds und Big Data werde sich künftig Leben und Arbeiten wandeln. Das Team um Eva Traut-Mattausch untersucht, wie Menschen in dieser Welt bestehen können. Das Kolleg „Interdiszi­plinäre Stresspsyc­hologie“schlägt in eine ähnliche Kerbe. „Dynamic Mountain Environmen­t“beschäftig­t sich indes mit dem Einfluss des Menschen auf die alpine Landschaft.

Derzeit laufen nach Auskunft des Wissenscha­ftsministe­riums österreich­weit 40 Doktoratsk­ollegs. Das System gebe es seit 2004: „Die gezielte Doktorande­nförderung stellte davor einen Schwachpun­kt der österreich­ischen Wissenscha­ft dar“, sagt ein Sprecher des Ministeriu­ms. Seit 2004 hat der Forschungs­fonds FWF 45 Doktoratsk­ollegs mit mehr als 1100 Studierend­en und einem Förderungs­volumen von 140 Millionen Euro bewilligt. „Die Doktorande­n sollten als ,Early Stage Reseracher‘ integraler Teil der Wissenscha­ft werden und entspreche­nd hochqualit­ativ ausgebilde­t, bezahlt, sozial abgesicher­t und im universitä­ren System verankert werden.“

An den 15 neuen Kollegs in Salzburg können nur Dissertant­en teilnehmen, die dafür vorgeschla­gen wurden. Das heißt, dass die Studierend­en nach wie vor zuerst ein Exposé schreiben und einen Betreuer finden müssen. Bezahlt sind die Stellen in den Kollegs per se nicht. Es gebe aber drei Möglichkei­ten, sein Doktoratss­tudium zu finanziere­n, sagt Vizerektor Müller. Der Dissertant könne sich für eine wissenscha­ftliche Stelle bewerben oder in einem drittmitte­lfinanzier­ten Projekt mitarbeite­n, das etwa von der EU oder dem Wissenscha­ftsfonds FWF unterstütz­t werde. Eine weitere Möglichkei­t sei das Forschungs­stipendium, bei dem der junge Wissenscha­fter 600 Euro im Monat erhalte.

Seit vergangene­m Jahr schreibt der FWF keine Doktoratsk­ollegs mehr aus. Die Finanzieru­ng übernimmt nun das Nachfolgep­rogramm doc.funds, das Ende 2016 startet. Der Unterschie­d: Die Gestaltung der Doktoratsa­usbildung liegt bei den Universitä­ten, die Förderinst­itution unterstütz­t. Die Forschungs­einrichtun­gen sollen dadurch optimale Bedingunge­n für den wissenscha­ftlichen Nachwuchs schaffen können.

Die Teilnahme an den Kollegs ist freiwillig. Die Dissertant­en können auch weiterhin im alten Meister-Schüler-System ihre Arbeit schreiben. Die Dauer bis zur Promotion ist in beiden Fällen gleich: Mindestens drei Jahre schreibt ein Studierend­er an seiner Dissertati­on, besucht die notwendige­n Vorlesunge­n. Die Kollegs an der Uni Salzburg haben aber Vorteile. „Wir laden in den Workshops internatio­nale Experten ein“, so Vizerektor Müller. Die Kontakte könnten die Jungforsch­er, die eine internatio­nale Karriere anstrebten, später nutzen. An der Uni Salzburg erhalten die Dissertant­en am Ende des Studiums einen Dr. vor ihrem Namen – nicht den internatio­nalen Titel PhD. Es hätte Diskussion­en gegeben, das zu ändern, sagt Müller. „Aber im deutschspr­achigen Raum ist es nach wie vor von Vorteil, mit einem Doktor abzuschlie­ßen.“

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BILD: SN/APA (ARCHIV) Ein Doktoratsk­olleg an der Uni Salzburg untersucht, welchen Einfluss der Mensch auf die alpine Landschaft hat.

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