Ein Leuchtturm kontert der kulturellen Landflucht
Die Kunst und die Kultur widersetzen sich dem Gesetz der Zentrifugalkraft. Trotzdem hatte Salzburg an diesem Wochenende eine zweite Festspielstadt.
Was für Arbeitsuchende, Studierende, Flüchtlinge, Erwerbstätige und Autoverkehr gilt, trifft auch für Kunst und Kultur zu: Es zieht sie in den Zentralraum. Österreichs höchstsubventionierte Kulturbetriebe sitzen in Wien. Und Bundestheater wie Bundesmuseen haben wenig Antrieb, ihr Wirken nahe bei jenen rund sieben Millionen Österreichern zu entfalten, die außerhalb der Bundeshauptstadt leben. Gleiches gilt für die Bundesländer – außer Niederösterreich. Große Theater, Orchester und Museen in Landeshauptstädten ziehen den Großteil der Kultursubvention an sich. In Salzburg wird dies zur Festspielzeit eklatant: Während dieses Großereignisses fällt die übrige Kulturszene – außer Galerien – in den Sommerschlaf.
Eigentlich müsste bei zunehmender, kreisender Bewegung die Zentrifugalkraft wirksam werden. Doch die geistigen Motoren Kunst und Kultur widersetzen sich diesem physikalischen Gesetz: Je quirliger das Schaffen, je mehr Besucher darum kreisen, desto träger verharren die Beteiligten im Zentralraum.
Aber an diesem Wochenende geschah etwas Wundersames: Salzburg bekam eine zweite Festspielstadt! Von Donnerstag bis Sonntag dürften sich in Saalfelden beim Jazzfest schätzungsweise ähnlich viele Besucher ergötzt haben wie bei den Salzburger Festspielen. Auch der Radius der Herkunftsländer der auftretenden Künstler ist dort wie da ähnlich. Das 1978 begonnene Jazzfest Saalfelden trotzt dem Trend der Zentralraumsträgheit. Dafür musste es durch Krisen, um entsprechende politische Bekenntnisse zu erlangen. Jetzt steht es offenbar außer Frage.
Doch vieles an Kunst und Kultur nördlich von Maria Plain und südlich von Elsbethen ist von Idealismus abhängig und kommt über kleinräumige Relevanz kaum hinaus. Viele Ehrenamtliche sind tätig – sie leiten Theatergruppen, kümmern sich um Regionalmuseen, organisieren Musikkapellen. Ja, sie werden von Land und Gemeinden unterstützt, bekommen ab und zu Zusatzfinanzierungen. Doch es fehlt an Sicherheit, oft an Professionalität. Und insgesamt hängt die kulturelle Infrastruktur im Land schief.
Die Kulturpolitik müsste der Landflucht entgegenwirken. Das ist oft mühsam, und es erforderte langfristige Konzepte. Was bisher geschah? Zum Beispiel: Die Sommerakademie für Bildende Kunst hat Hallein verlassen. Die Pernerinsel als Spielstätte der Salzburger Festspiele steht alle paar Jahre infrage. Oder Thema Landesausstellung: Die jetzige ist wieder in der Innenstadt der Landeshauptstadt. Umso erfreulicher ist da so ein Leuchtturm am Steinernen Meer.