Frankreich: Bademode im Wahlkampf
Statt die Gemüter zu beruhigen, hat der Gerichtsentscheid gegen das Burkiniverbot an französischen Stränden die Kontroverse angeheizt.
Politiker heizen den Streit um den Burkini an Frankreichs Stränden an.
Die Grundsatzentscheidung des Obersten Verwaltungsgerichts in Frankreich gegen ein Burkiniverbot hat nicht die erhoffte Befriedung gebracht. Im Gegenteil: Konservative und rechte Politiker verlangen nun ein Gesetz zum Verbot der Ganzkörper-Badeanzüge muslimischer Frauen. Nur der Gesetzgeber könne die Situation klären und die Lebensweise der Franzosen schützen, so ihre Argumentation. Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve rief zur Mäßigung auf.
Ex-Premierminister François Fillon sprach von einem „Krieg der Symbole, den wir gewinnen müssen“. In der Zeitung „Le Monde“plädierte der konservative Politiker für ein Anti-Burkini-Gesetz. Das Gerichtsurteil vom Freitag verlange eine Klärung durch den Gesetzgeber.
Der Staatsrat, das Oberste Verwaltungsgericht des Landes, hatte am vergangenen Freitag das Burkiniverbot in dem südfranzösischen Badeort Villeneuve-Loubet aufgehoben. Damit werden aber auch die Verbote von rund 30 anderen Gemeinden ungültig. Die Emotion und die Verunsicherung nach den Terroranschlägen im Land reichten nicht aus, um die Verordnung zu begründen, teilte der Staatsrat mit. Der Burkini ist also prinzipiell an Frankreichs Badestränden gestattet.
Gegner des Verbots bejubelten die Entscheidung des Staatsrats als Sieg des Rechtsstaats. Mehrere Konservative und Vertreter der rechtsextremen Front National forderten dagegen umgehend ein Gesetz, um Burkinis im ganzen Land zu verbieten oder Bürgermeistern zumindest die Möglichkeit zu lokalen Verboten zu geben.
In Frankreich herrscht bereits Wahlkampfstimmung. In den nächsten Wochen werden die Vorentscheidungen über die Kandidaten für die Präsidentschaftswahl im Frühjahr 2017 getroffen. Ex-Staatschef Nicolas Sarkozy, der für die Konservativen wieder in den Élysée-Palast will, hatte schon vor dem Staatsratentschluss ein AntiBurkini-Gesetz gefordert. Als Präsident werde er den Burkini weder an Stränden noch in Swimmingpools erlauben, erklärte er vor wenigen Tagen. Er unterstütze voll und ganz die Bürgermeister derjenigen Städte, die den Burkini verboten haben.
Landesweit hatten in den vergangenen Wochen insgesamt etwa 30 französische Kommunen Burkinis an ihren Stränden verboten und damit eine hitzige Debatte ausgelöst. Die meisten wollen trotz der Entscheidung des Staatsrats auch weiterhin keine Ganzkörper-Badeanzüge hinnehmen, darunter Nizza und Fréjus an der Côte d’Azur.
Marine Le Pen, die Chefin der rechtsextremen Front National, wertete die Entscheidung des Staatsrats als bedauerlich. Es obliege allein dem Gesetzgeber zu handeln, um Frauen zu schützen, die Laizität und die Lebensweise der Franzosen, erklärte die Politikerin.
Auch für Frankreichs sozialistischen Premierminister Manuel Valls ist die Diskussion noch nicht beendet. Das sei eine Grundsatzdebatte, so wie jene vor 30 Jahren um den Gesichtsschleier in der Schule, erklärte er auf seiner Facebook-Seite. Den Burkini zu verbieten bedeute nicht, die individuelle Freiheit infrage zu stellen, sondern einen tödlichen und rückschrittlichen Islam zurückzuweisen.
Innenminister Bernard Cazeneuve rief die Politiker dazu auf, Verantwortung zu zeigen und zur Beruhigung beizutragen. Für heute, Montag, hat er Politiker und Vertreter muslimischer Verbände zu einem „Tag der Konsultationen über den Islam in Frankreich“eingeladen. Hauptthemen des Treffens: die Finanzierung von Moscheen und Gebetshäusern sowie eine „Stiftung für den Islam in Frankreich“.