Salzburger Nachrichten

Warum kann man sich die Krankenkas­se nicht aussuchen?

Man sollte die Kassen nicht zusammenle­gen, sondern miteinande­r in Wettbewerb treten lassen.

- Alexander Purger

Als Jörg Haider in den 90er-Jahren des vorigen Jahrhunder­ts erstmals die Zusammenle­gung der mehr als 20 Sozialvers­icherungst­räger forderte, galt das als freche Attacke auf das bewährte österreich­ische System und wurde empört abgelehnt. Heute ist die Forderung Allgemeing­ut und Regierungs­linie.

Was sie aber nicht richtiger macht. Denn um die Bürokratie in der Sozialvers­icherung abzubauen, ist die Schaffung einer einzigen Riesenanst­alt der falsche Weg. Je größer der Moloch, desto üppiger wuchert die Bürokratie. Das ist der Fluch des Zentralism­us.

Der richtige Weg, für weniger Bürokratie, mehr Sparsamkei­t und neue Ideen in den Krankenkas­sen zu sorgen, wäre es, sie in Wettbewerb miteinande­r treten zu lassen. Man sollte den Österreich­ern, statt sie zwangsweis­e „ihrer“Kasse zuzuteilen, die Möglichkei­t geben, die Krankenkas­se frei zu wählen. Ein Wiener könnte sich dann auch bei der Vorarlberg­er Gebietskra­nkenkasse versichern, ein Landwirt bei der Beamtenver­sicherung.

Man würde sich wundern, wie schnell die Kassen auf diese neue Situation reagieren würden. Die Bürokratie würde schmelzen wie die Butter in der Sonne, das Angebot wäre besser und die Tarife würden billiger.

Wer das für blinde Marktgläub­igkeit hält, denke daran, was sich am Telefonmar­kt alles geändert hat, seit es dort mehrere Anbieter gibt. Auch die Qualitätsb­emühungen, die von den ÖBB ergriffen wurden, seit sie einen privaten Konkurrent­en haben, zeigen die Vorteile des Wettbewerb­s. Sie sollten auch im Bereich der Krankenkas­sen genutzt werden.

Die Existenz zahlreiche­r kleiner Kassen bietet zudem die Chance, verschiede­ne Modelle auszuprobi­eren. Was im politische­n Diskurs ständig als „Wildwuchs“diffamiert wird, ist in Wahrheit ein überaus vernünftig­es Prinzip, wie es zum Beispiel auch die Natur anwendet: Man probiert im Kleinen etwas aus, beobachtet eine Zeit lang, ob es funktionie­rt, und nutzt es dann auch im Großen oder eben nicht. Der mögliche Nutzen dieses Systems ist groß, der mögliche Schaden gering.

In zentralisi­erten Großsystem­en etwas Neues auszuprobi­eren ist hingegen immer ein Vabanquesp­iel. Die Chancen für Erfolg oder Totalabstu­rz stehen 50:50. Deswegen wird dort nie etwas Neues ausprobier­t.

Einige Krankenkas­sen haben ihren Spielraum genutzt und moderate Selbstbeha­lte eingeführt, die zu mehr Sparsamkei­t und Qualität geführt haben. Eine andere Kasse räumt jenen Versichert­en, die auf einen gesunden Lebensstil achten, einen Bonus ein. Auch das ist ein vielverspr­echender Weg. Man sollte den Österreich­ern die Möglichkei­t geben, zu diesen innovative­n Krankenkas­sen zu wechseln.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria