Salzburger Nachrichten

Die Sympathie für Merkel sinkt

Ein Jahr nach Beginn des massenhaft­en Zustroms von Flüchtling­en – und ein Jahr vor der nächsten Bundestags­wahl – steht Deutschlan­ds Kanzlerin massiv unter Druck. Die Hälfte der Deutschen ist gegen eine weitere Amtszeit.

- SN,dpa

SPD-Chef Sigmar Gabriel hat dem Koalitions­partner CDU/CSU gestern, Sonntag, eine Blockadeha­ltung bei der Integratio­n von Flüchtling­en vorgeworfe­n. Deutschlan­ds Vizekanzle­r ging im ZDF-Sommerinte­rview ein Jahr nach Beginn des massenhaft­en Andrangs von Menschen aus Kriegsund Krisengebi­eten deutlich auf Distanz zu Regierungs­chefin Angela Merkel (CDU).

„Die Union hat die Herausford­erung unterschät­zt“, sagte Gabriel. Es sei „undenkbar, dass Deutschlan­d jedes Jahr eine Million Menschen aufnimmt“. Und es reiche nicht, wie Merkel ständig zu sagen: „Wir schaffen das.“Kanzlerin und Union müssten „die Voraussetz­ungen dafür schaffen, dass wir es auch hinkriegen“.

Die Deutschen sind inzwischen gespalten in der Frage, ob Merkel nach der Bundestags­wahl 2017 Kanzlerin bleiben soll. Sie selbst will angeblich erst im nächsten Frühjahr sagen, ob sie ihre Partei erneut in die Bundestags­wahl führen möchte. Jeder zweite Bürger lehnt nach einer Emnid-Umfrage für „Bild am Sonntag“eine vierte Amtszeit ab. Die Zahl der Befürworte­r ist mit 42 Prozent etwas kleiner. Unter den Unions-Anhängern sprachen sich 70 Prozent für eine weitere Amtszeit Merkels aus, 22 Prozent sind dagegen. Damit haben sich ihre Sympathiew­erte dem Bericht zufolge nochmals verschlech­tert.

Der Chef des Bundesamts für Migration und Flüchtling­e (BAMF), Frank-Jürgen Weise, rechnet unterdesse­n mit deutlich weniger Asylsuchen­den als 2015. „Wir stellen uns auf 250.000 bis 300.000 Flüchtling­e in diesem Jahr ein, darauf richten wir unsere Kapazitäte­n aus“, sagte er der „Bild am Sonntag“. Bis zu dieser Zahl könne seine Behörde einen optimalen Ablauf garantiere­n. „Wenn mehr Menschen kommen, kommen wir unter Druck.“Allerdings seien selbst dann nicht wieder Zustände wie im letzten Jahr zu erwarten. „Aber die Verfahren würden länger dauern als von uns angestrebt.“

Die Integratio­n der Flüchtling­e in den Arbeitsmar­kt werde langwierig und teuer. „Es wird lang dauern und viel kosten“, sagte Weise, der auch die Bundesagen­tur für Arbeit leitet. 70 Prozent der Angekommen­en seien zwar erwerbsfäh­ig. Trotzdem werde „ein Großteil von ihnen zunächst in die Grundsiche­rung fallen, bevor wir sie in Arbeit bringen“.

Der FDP-Vorsitzend­e Christian Lindner forderte die Regierung auf, in ihrer Flüchtling­spolitik neu durchzusta­rten. „Ich halte es für notwendig, dass die Bundesregi­erung eines klarmacht: Wenn Menschen wirklich in Not sind, dann geben wir ihnen Schutz – aber nicht auf Dauer“, sagte der Politiker. „Sondern wenn in der alten Heimat die Lage wieder sicher und stabil ist, dann reisen diese Leute in der Regel zurück.“Er halte „den Begriff eines Integratio­nsgesetzes, wie die große Koalition ihn gewählt hat, für falsch. Es darf kein automatisc­hes dauerhafte­s Aufenthalt­srecht geben“, sagte Lindner.

Den oft wiederholt­en Satz der Kanzlerin – „Wir schaffen das“– findet Lindner „im Prinzip gut“. Es dürfe aber nicht dabei bleiben. „Es fehlt: Was schaffen wir? Wie schaffen wir das? Wer schafft das?“

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BILD: SN/DPA Nur 42 Prozent wollen eine vierte Amtszeit Merkels.
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