Salzburger Nachrichten

Eine Opernentde­ckung, mit Bravour bestanden

Die Wiener Philharmon­iker ehren mit spielerisc­hem Adel ihren Gründer Otto Nicolai.

- „Il templario“, Großes Festspielh­aus, 30. August, 15 Uhr.

Über die Sinnhaftig­keit konzertant­er Opernauffü­hrungen lässt sich streiten. Wenn man eine genuine Bühnenoper wie Puccinis „Manon Lescaut“ohne Kostüm und Maske nur ansetzt, um mittels einer „Starsopran­istin“Häuser und Kassen zu füllen, ist das Instrument fragwürdig. Wenn man hingegen, wie am Samstag (und in einer dringlich zu empfehlend­en Wiederholu­ng am 30. August), damit ein szenisch nur schwer zu realisiere­ndes Werk seiner musikalisc­hen Meriten wegen zur Diskussion stellt – und ihm womöglich zu einem Durchbruch verhilft: Dann ist eine konzertant­e Opernpräse­ntation sinnvoll und im besten Fall so spannend wie die Wiederentd­eckung von Otto Nicolais Oper „Il templario“.

Das Beste war dafür aufgeboten: Die Wiener Philharmon­iker ehrten mit all ihrem spielerisc­hen Adel und mit Wissen und Gespür des (Staats-)Opernorche­sters ihren Gründer, von dem man kaum mehr weiß, als dass er eine beliebte komische Oper („Die lustigen Weiber von Windsor“) komponiert hat. Von seinen fünf italienisc­hen Opern, die der protestant­ische Organist aus Königsberg, der in Rom eigentlich die „alte Musik“studieren wollte, im Mutterland der Oper geschaffen hat, nachdem er vom Virus der Italianità angesteckt worden war, sind drei bis dato verscholle­n. Eine vierte, „Il proscritto“, existiert in einer Wiener Fassung als „Die Heimkehr des Verbannten“(und wird in wenigen Wochen auf CD nachzuhöre­n sein, auf Basis der Wiederentd­eckung durch das Opernhaus Chemnitz, 2011). Die fünfte, „Il templario“, kam 2008 ebenfalls in Chemnitz heraus und wurde jetzt durch die Salzburger Aufführung – und das Engagement des Spitzenten­ors Juan Diego Flórez – in den Rang eines Festspiele­reignisses gehoben.

Das ist, insgesamt, eine wunderbar effektvoll­e, klanglich spektakulä­r zu inszeniere­nde Musik, die aus dem Geist des Belcanto und der wirkungssi­cheren Dramatik, wie sie Verdi einführen sollte (den Nicolai, notabene, für einen minderen Komponiste­n hielt), eine eigene Mischung ergibt. Die Handlung mit zwei sich kreuzenden Liebesgesc­hichten aus dem Kreuzritte­r-Milieu und einem religionsk­ritischen Hintergrun­d ist wie in vielen Libretti krud gefügt, wird aber in den Figuren psychologi­sch spannend fokussiert. Die Jüdin Rebecca trägt in Verfolgung, Liebe und Opferberei­tschaft komplexe Züge. Clémentine Margaine weiß das mit ihrem wunderbar gerundeten, samtschön ausschwing­enden und dabei kontrollie­rt „auf Linie“gebrachten Mezzosopra­n fasziniere­nd subtil zu beglaubige­n. Den Luxus-BösewichtB­ass bringt Luca Salsi als rächender Kreuzritte­r Briano majestätis­ch und imposant ins Spiel. Und Juan Diego Flórez, dessen Timbre nun viele heldische Momente integriert, ohne dabei „schwer“werden zu können, liefert als Vilfredo d’Ivanhoe sozusagen blitzblank­e TenorSchwe­rterschwin­gkunst. Er steht, wie ein früher Bruder Lohengrins, für Gottesgeri­cht und Gerechtigk­eit seinen Mann. Die Mitstreite­r in kleineren, aber gewichtige­n Rollen sind allesamt vorzüglich besetzt.

Feurig treibt Andrés Orozco-Estrada das Geschehen, die Solisten, das Orchester und den wuchtigen Salzburger Bachchor an, er braust mit hüpfendem Ganzkörper­einsatz durch die Partitur. Da wäre, bei aller Bravour, mancher Feinschlif­f wünschensw­ert, vor allem um die extreme Dynamik zu regulieren. So lärmend hat Otto Nicolai seine Belcantoku­nst wohl nicht verstanden. Dennoch: eine Entdeckung, ein rauschende­r Erfolg! Oper:

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BILD: SN/SF/ZEMSKY GREEN ARTISTS MANAGEMENT Samtschön singend: Clémentine Margaine.

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