Junge Stimmen überraschen
Dreizehn Sängerinnen und Sänger aus zwölf Nationen feilten in Salzburg an ihrem Können.
Die Förderinstrumente für junge Musiker, ob Instrumentalisten, Dirigenten, Sänger, gehen heute weit über obligate Wettbewerbe hinaus. Deren Treffsicherheit wird ohnedies seit je angezweifelt, wiewohl ein „Sieg“– in welchem Concours auch immer – nützlich und hilfreich für den weiteren künstlerischen Weg sein kann.
Als zielführender erweist sich eine klug ausgesteuerte Verbindung aus Wettbewerbssituation und Akademie, wie sie seit vielen Jahren die Salzburger Festspiele betreiben. Angefangen hat es mit dem (inzwischen eingestellten und damit sträflich ad acta gelegten) Young Directors Project für zeitgenössische Regie. Dem folgte, erfolgreich in seiner Nachhaltigkeit von Karriere-Beförderung, der Young Conductors Award. Dass das dritte Unternehmen, das Young Singers Project, nicht so sehr im Blickpunkt der Öffentlichkeit steht, hat mit der Struktur einer „Akademie“zu tun.
Jährlich werden, auf Basis von Wettbewerbserfolgen, nachhaltiger aber aus bereits bestehenden Opernstudio- und Auftrittserfahrungen, junge, bereits fertig ausgebildete Sängerinnen und Sänger nach Salzburg eingeladen, um hier in kleinen Rollen, als Cover oder in der – nicht gering zu schätzenden – „Kinderoper“und in ausgewählten Meisterklassen ein umfassendes Arbeits- und Weiterbildungsangebot auf „Festspielniveau“zu nützen. „Eine besondere Stimme, Bühneninstinkt, solide technische Kenntnisse und Leidenschaft“, so umreißt die Leiterin des Projekts, Evamaria Wieser, die Auswahlkriterien für in diesem Sommer dreizehn Sängerinnen und Sänger, zwischen 21 und 29 Jahren alt, aus zwölf Nationen kommend. Individuell und kompakt stellten sie ihr Können in einem Finalkonzert vor. Da lassen sich durchaus schon mehr oder minder ausgereifte Persönlichkeiten erkennen.
Wer wollte, nach dem diesjährigen Konzert, bestreiten, dass der polnische Bariton Andrzej Filończyk dank seiner Stimmstatur und seinem Stilempfinden, nach seinem „Puritani“-Auftritt zu schließen, eine eminente Begabung ist? Erfreulich auch, wie sich die positiven Eindrücke bestätigten, die der wunderbar leichte, dabei exzellent wortdeutliche chinesische Tenor Mingjie Lei (an der Tiefe sollte er noch arbeiten) und die imposante Elbenita Kajtazi (in einer Donizetti-Szene) hervorriefen, nachdem sie in ihren Soloauftritten beim Young Conductors Award aufgefallen waren. Mächtig ins hochdramatische Zeug legte sich die Ungarin Szilvia Vörös mit der gewichtigen Arie der Leonora aus Donizettis „La Favorita“.
Die namentlichen Hervorhebungen bedeuten nicht, dass nicht so gut wie alle anderen Stimmen auch je eigenen Charakter hätten. Insgesamt aber ist entscheidender, dass das intensive Pensum eines Sommers auch das Signum höchstqualifizierter Berufsvorbereitung trägt – und damit mehr wert ist als ein punktueller Wettbewerbserfolg.
Wie sehr ein solcher auch langfristig zielgerichtet sein kann, beweist Jahr für Jahr in Innsbruck der Cesti-Wettbewerb. Deren hoch qualifizierte Teilnehmer in „Barockgesang“haben umgehend die Gelegenheit, eine eigene Opernproduktion für das folgende Jahr vorzubereiten. Und es ist fürwahr eine Herausforderung, eine dreistündige Aufführung einer Rarität, diesfalls Pietro Antonio Cestis absurd-witzige „Le nozze in sogno“, anzugehen und durchzustehen. Dank der Sommerakademie des Mozarteums erlebte man zwei Aufführungen der Innsbrucker Produktion nun auch in Salzburg, vor beschämend wenig Publikum, aber mit ungebrochenem, frischem Elan. Und der unschätzbaren Erfahrung, wie man im Sängerberuf nicht nur bestehen kann, sondern auch unter widrigeren Umständen bestehen muss.