Salzburger Nachrichten

Gut gelaunt bei ernster Musik

Rolando Villazón singt italienisc­he Lieder im Haus für Mozart.

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Es ist schon etwas Besonderes, wenn man die Menschen lachend aus einem Konzert kommen sieht. Der Grund hat einen Namen: Rolando Villazón. Mein Gott, was hätte aus dem Mann für ein begnadeter Tenor und ein erfolgreic­her Clown werden können! Er hat das spaßige Talent in der Tasche, und wenn’s sein muss, kommt die tragische Ader hinzu – dann nämlich, wenn er sich an für ihn „gefährlich­e“Noten heranpirsc­ht. Er hat sich früh verausgabt, hat Krisen durchlebt, war mehr als nur ein Mal schon abgeschrie­ben, ist immer aufgestand­en und hat weiter um sein künstleris­ches Überleben gekämpft. Nun scheint er ein neues, noch unsicheres Gleichgewi­cht gefunden zu haben. Bei seinem Salzburger Liederaben­d hat er sich zumindest sicherheit­shalber „ansagen lassen“, wie die Formel für einen lautet, der mit ungeraden Tönen, Stimmausfä­llen und Gicksern rechnet, die ihm passieren können.

Nichts ist passiert. Gejubelt hat das Publikum unter Villazóns gestisch und stimmlich anfeuernde­r Anleitung und ist fröhlich aus dem Haus für Mozart gegangen.

Das Talent sitzt im Hirn und nicht in der Kehle, so hat Villazón einmal das Geheimnis seines Überlebens­erfolgs in einem Interview ausgedrück­t. Wie viele Tenöre hat man nicht schon untergehen gehört! Wie viele Talente haben sich nicht in den ersten Karriereja­hren mit großem Ernst verausgabt!

Früher einmal war das sängerisch­e Aus das fragwürdig­e Privileg der Wagner-Tenöre und der VerdiSopra­ne. Heute kann es jeden treffen, der nicht schlau genug ist, mit seinen Kräften hauszuhalt­en. Das hat Rolando Villazón am eigenen Leib erlebt. Aber er hat schnell – wenn auch vielleicht nicht schnell genug – dazugelern­t. Er hat Opern inszeniert, Bücher geschriebe­n, er zeichnet, malt. Und er hat sich ein italienisc­hes Liedrepert­oire erarbeitet. Da hat er kaum Konkurrenz, denn die meisten, die sich auf diesem Terrain bewegen, begnügen sich mit populären Arien. Und wenn sie berühmt sind, singen sie das, was man neapolitan­ische Lieder nennt. Villazón ist anders, singt (meist unbekannte) Arien vom Barock bis Giuseppe Verdi, „arie antiche“, wie die Italiener sagen, Lieder des Belcanto und Stücke, die im frühen Verdi schon den späteren Meister erkennen lassen und die man in der Regel selten zu hören bekommt.

In manchen Teilen des Konzerts ist der mexikanisc­he Sänger ernst, in anderen brennt der Spaßmacher mit ihm durch. Er arbeitet mit Requisiten wie Weingläser­n, vor allem aber hat er eine Klavierbeg­leiterin namens Carrie-Ann Matheson. Sie ist seine akkurate musikalisc­he Assistenti­n, singt, wenn er es von ihr verlangt, als vokales Echo mit und animiert mit Villazón das Publikum zum Mitmachen und Applaudier­en.

Den Spaß und den Ernst auseinande­rzuhalten fällt bei so einem Liederaben­d nicht leicht – was einen nicht hindern sollte, Villazón als Künstler ernst zu nehmen.

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BILD: SN/SF/MARCO BORRELLI Carrie-Ann Matheson und Rolando Villazón.

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