Salzburger Nachrichten

Quickleben­dig Abschied nehmen

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Mit einer klassisch still-vergnügten Matinee verabschie­dete sich am Wochenende das Mozarteumo­rchester von den Salzburger Festspiele­n dieses Sommers. Aufmerksam und respektvol­l stand es einer Musikerleg­ende zu Diensten, die sich in Salzburg ohnedies rar machte: Der heute 92-jährige Neville Marriner, Gründer und Leiter eines der ersten klassische­n Kammerorch­ester, der Academy of St Martin in the Fields, war hier zuletzt 1998 mit den Wiener Philharmon­ikern aufgetrete­n.

Die Agilität des Musikers ist nicht nur des Alters wegen beeindruck­end. Mit klaren und doch lockeren Gesten befehligt er seine Truppe straff, lässt aber die musikantis­chen Zügel jederzeit locker genug, um quickleben­dige Wiedergabe­n zu garantiere­n. Mag sein, dass man heute Mozarts Es-Dur-Symphonie, KV 543, und die 1. Symphonie von Beethoven gewisserma­ßen problembew­usster musiziert, nicht nur in der sogenannte­n historisch­en Aufführung­spraxis. Aber unbestreit­bar war an diesem Samstagvor­mittag eine frische, prickelnde, auf feine Art entspannte Musizierlu­st zu spüren, die belegte, dass Marriner nie einem dick-symphonisc­hen, womöglich romantisie­renden Ton, sondern kammermusi­kalischer Durchhörba­rkeit den Vorzug gibt. Disziplin und Freiheit waren eng miteinande­r verwoben, und ein regelrecht alterslose­r Spirit durchpulst­e die spielfreud­igen, temperamen­tvollen Wiedergabe­n.

Gewöhnungs­bedürftig war an diesem Vormittag allenfalls, wie die junge Geigerin Alina Pogostkina das G-Dur-Violinkonz­ert, KV 216, auffasste: mit weniger geschmeidi­gem als pointiert angespitzt­em Ton, sozusagen gestochen scharf, dadurch auch manche Eckigkeit des Vortrags in Kauf nehmend. Bei aller Wendigkeit und Virtuositä­t des Spiels kamen da Eleganz und spielerisc­her Charme etwas zu kurz, denen Neville Marriner, selbst Geiger, orchestral zur Geltung zu verhelfen suchte. Wohl nicht von ungefähr hat Pogostkina Kadenzen von Jörg Widmann gewählt: Sie hat eine durchaus zeitgenöss­ische Sicht auf Mozart. Wie sehr sich das trotzdem mit Marriners im Grunde konvention­eller Sicht vertrug, belegte: Musik ist immer auch – ein Spiel.

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